DAS PHONETIK-BLOG [foˈneːtɪkˌblɔk]


Donnerstag, 21. Mai 2009
Wörter-[buːx] XI [Fester Link zum Beitrag]
  • Michail Afanas'evič Bulgakov (Михаил Афанасьевич Булгаков):
    [mʲɪxʌˈil əfʌˈnɑsʲjɪvʲɪtʲɕ bʊlˈɡɑkəf]
  • Grafite: [ɡɾaˈfit͜ʃɪ]
  • Gráinne: [ˈɡɾˠaːnʲə]
  • Sergio Marchionne: [ˈsɛrd͜ʒo marˈkjɔnːe]
  • Tadeusz Różewicz: [taˈdɛuʃ ruˈʒɛvʲitʃ]
  • Marija Jur'evna Šarapova (Мария Юрьевна Шарапова):
    [mʌˈrʲijə ˈjurʲjɪvə ʂʌˈrɑpo̞və]
  • Peter Sodann: [ˈpeːtɐ zoˈdan]
  • Dramatis Personae: [ˈdraːmatɪs pɛrˈsoːnaɪ̯] (lat.)
    bzw. [ˈdʁaːmatɪs pɛɐ̯ˈzoːnɛ] (dt.)
Anmerkung zu Grafite: Seit der Fußballer in Deutschland spielt, wird die Aussprache seines Spitznamens – bürgerlich heißt er Edinaldo Batista Líbano [ɛdʒiˈnaʊ̯dʊ baˈt͜ʃista ˈlibanʊ] – heiß diskutiert. Dabei gab es mehrere Umschwünge in der jeweils vorherrschenden Ansicht: Zunächst dominierte die naive Meinung, der Mann würde auf eine Weise ausgesprochen werden, die im Deutschen mit [ɡʁaˈfiːtə] brauchbar wiedergegeben sei. Dann setzte sich die Überzeugung durch, die Lautung müsse derart sein, dass [ɡʁaˈfɪt͜ʃ] oder [ɡʁaˈfɪt͜ʃi] die angemessene Eindeutschung sein, wobei Letzteres verdächtig nach den Fidschi-Inseln klang. Die bisher letzte Stufe besteht in einem Rückfall auf die erste Position, angereichert durch die Sicherheit, die zweite Ansicht werde höchstens von Ignoranten vertreten. Wasser auf die Mühlen der Vertreter der dritten Variante lieferte ein Interview mit Grafite (was übrigens ein portugiesisches Wort für ›Graffiti‹ ist) im ›Aktuellen Sportstudio‹, das man hier ansehen kann (ab 4’55”). Von dem, was der Fußballer selbst zu seinem Namen sagt, versteht man allerdings wenig; vieles geht im Applaus oder im Voiceover des Übersetzers unter. Zu hören sind unter anderem [ɡɾaˈfitɪ], [ɡɾaˈfit͜ʃɪ] und [ɡɾaˈfite]. Zu letzterer Aussprache sagt der Dolmetscher am Ende, diese sei – nicht mal das versteht man so genau – »richtig« oder »wichtig«, nachdem Grafite selbst bekannt hat, er fühle sich durch alle Lautungen seines Namens angesprochen. Was ist nun zutreffend? Ich bin weiterhin der Ansicht, dass das oben angegebene [ɡɾaˈfit͜ʃɪ] korrekt ist. Es scheint mir, als habe der Sportler feststellen müssen, dass man sich außerhalb von Brasilien mit der Originalaussprache seines Namens schwertut, und, weil er ein höflicher Mensch ist, beschlossen, den Deutschen entsprechend entgegenzukommen – so wie ein Schwede oder Deutscher, der ›Peter‹ heißt, sich in England womöglich als [ˈpiːtə] vorstellt, ohne damit ausdrücken zu wollen, so laute der Name in seinem Heimatland. Wer vertiefende Erkenntnisse oder Quellen in dieser Frage hat, möge sich melden.

Anmerkung zu Tadeusz Różewicz: Über die Realisierung der polnischen Grafeme ›sz‹, ›rz‹ und ›ż‹ herrscht Uneinigkeit. Es gibt zwei Positionen: Die erste – meines Erachtens phonetisch plausiblere – besteht in der Annahme, dass die Laute als [ʃ̻] und [ʒ̻], das heißt: mit dem Zungenblatt an den Alveolen artikuliert, richtig beschrieben sind; die zweite hält die Konsonanten für laminal und retroflex, also [ʂ̻] und [ʐ̻]. Unumstritten ist, dass die beiden Laute mit [ɕ] und [ʑ] kontrastieren, die unter anderem den Grafemen ›ś‹ und ›ź‹ entsprechen.



Mittwoch, 21. Januar 2009
Wörter-[buːx] X [Fester Link zum Beitrag]
  • Robert Desnos: [ʀɔˈbɛːʀ dɛsˈnoːs]
  • Athol Fugard: [ˈæθəl ˈfjuːɡɑːd]
  • Gāo Xíngjiàn (高行健): [˥˥ kɑu̯ ˧˥ ɕɪŋ ˥˩ tɕi̯ɛn]
  • Felicitas von Lovenberg: [feˈliːt͜sitas fɔn ˈloːvənbɛʁk]
  • Stanislav Jur’evič Markelov (Станислав Юрьевич Маркелов):
    [stənʲɪˈslaf ˈjurʲjɪvʲɪtʲɕ mʌrˈkʲeləf]
  • Lucien Tesnière: [lyˈsjɛ̃ tɛˈnjɛːʀ]
  • Thukydides (Θουκυδίδης): [tʰoːkydídɛːs] (altgr.) bzw. [θuciˈðiðis] (neugr.)
  • Julija Volodymyrivna Tymošenko (Юлія Володимирівна Тимошенко):
    [ˈjulijɑ ʋoloˈdɪmɪriʋnɑ tɪmoˈʃɛnko]
Anmerkung zu Stanislav Markelov: In diesem Fall ist es einmal mehr interessant zu beobachten, welche Wandlungen die Aussprache eines Namens durch Nachrichtensprecher binnen 24 Stunden durchmachen kann. Die erste ›tagesschau‹, die den Tod des russischen Menschenrechtsanwalts meldete, war die 20-Uhr-Ausgabe am 19. Januar. Jens Riewa sprach den Namen als [ˈstanɪslaf ˈmaːɐ̯kəlɔf] aus – die typische Leseaussprache eines nicht russophonen Deutschen. Das kann passieren, zumal die Meldung kurzfristig in die Sendung gerutscht und der Anwalt zuvor nicht bekannt genug gewesen sein mag, um bereits in der ARD-Aussprachedatenbank verzeichnet zu sein. Dass die gleiche Aussprache am Folgetag in der ›tagesschau‹ um 12 Uhr von Susanne Holst wieder zu hören war, wirkt hingegen wenig professionell. Zudem lief im Anschluss an die Moderation mit der falschen Lautung ein Beitrag von Olaf Bock aus Moskau, in dem wenigstens die Betonung des Nachnamens stimmte. Der Korrespondent sagte [ˈstaːnɪslaf maːɐ̯ˈkeːlɔf]. In der Hauptausgabe desselben Tages war der Nachname als [maʁˈkɛːlɔf] zu hören – von Sprecher Marc Bator mit recht offenem Vokal in der Pänultima artikuliert. Zu der Wortmeldung wurde ein Film von Ina Ruck gezeigt, ihres Zeichens studierte Slawistin und Leiterin des Moskauer ARD-Studios, die – mit erkennbar russischem Zungenschlag – [staːnɪsˈlaf marˈkje̞ːləf] sagte. Caren Miosga, ebenfalls Slawistin, hatte sich offensichtlich vorbereitet: In den ›tagesthemen‹ am 20.1. war von ihr [ˈstaːnɪslaf maːɐ̯ˈke̞ːlɔf] zu hören, im darauffolgenden Beitrag [ˈstaːnɪslaf maːɐ̯ˈkjeːlɔf] – Letzteres wieder von Olaf Bock aus Moskau, der dieses Mal die Palatalisierung des betonten Vokals im Nachnamen durch ein eingeschobenes [j] berücksichtigte. Damit war er nicht weit entfernt von der meines Erachtens idealen phonetischen Eindeutschung des Namens, nämlich [stanɪsˈlaf maːɐ̯ˈkjɛlɔf]. Dabei werden sowohl die Betonungen als auch die Vokalqualitäten des Russischen, so weit wie möglich, gewahrt. Im Deutschen wäre [mɐˈkjɛləf] eine ebenfalls phonologisch akzeptable Form, für den Einsatz in Nachrichtensendungen aber wegen seiner ungewohnten Laut-Buchstaben-Zuordnung nur zweite Wahl.

Anmerkung zu Thukydides: Die Lautung altgriechischer Namen in lebenden Sprachen ist zuweilen sonderbar, wie ich schon einmal in einem Beitrag vor anderthalb Jahren angemerkt hatte. Bei dem Namens des besagten Historikers hat sich von der klassisch attischen zur neugriechischen Lautung – wie man es in rund 2500 Jahren erwarten kann – einiges geändert. Gleich blieb jedoch die Betonung: Sie liegt in jedem Fall auf der vorletzten Silbe, wobei sie heute nicht mehr, wie vermutlich einst im Altgriechischen, als Pitch-Akzent realisiert wird. Merkwürdig ist nun, dass diese Betonung in kaum einer mitteleuropäischen Sprache wiederzufinden ist. Im Deutschen zum Beispiel sagen die meisten Altsprachler [tuˈkyːdidɛs], in Spanien heißt es [tuˈθiðiðes] bei der Schreibweise ›Tucídides‹, Briten schreiben ›Thucydides‹ und sagen [θjuˈsɪdədiːz]. Sprachen mit fixiertem Wortakzent wie das Französische, das ein dem Griechischen ähnliches [tysiˈdid] hat, oder das Polnische, wo es meines Wissens [tukiˈdɨdɛs] heißt, fallen bei dieser Betrachtung heraus.



Mittwoch, 5. November 2008
Wörter-[buːx] IX [Fester Link zum Beitrag]
  • Martti Ahtisaari: [ˈmɑrtːi ˈɑhtisɑːri]
  • Michael Crichton: [ˈmaɪkl̩ ˈkɹaɪtn̩]
  • Gault-Millau: [ɡo miˈjo]
  • Kaupþing banki: [ˈkʰøyːpθiŋk ˈpauɲ̥cɪ]
  • Jean-Marie Gustave Le Clézio: [ʒɑ̃maˈʀi ɡysˈtav ləkleˈzjo]
  • Liblice: [ˈlɪblɪt͜sɛ]
  • Venezia: [veˈnɛtːsi̯a]
  • Wigalois: [ˈviːɡalɔɪ̯s]
Dieses Mal: Keine Anmerkungen, aber vielen Dank an alle Ideenlieferanten!



Montag, 6. Oktober 2008
Wörter-[buːx] VIII [Fester Link zum Beitrag]
Herzliche Grüße gehen an eine Friedensforscherin mit ausdauernden Ohren:
  • Françoise Barré-Sinoussi: [fʀɑ̃ˈswaz baˈʀe sinuˈsi]
  • Chalkidiki (Χαλκιδική): [xalciðiˈci] (neugr.)
  • Csárdás: [ˈtʃaːrdaːʃ]
  • Martina Gedeck: [maʁˈtiːna ˈɡeːdɛk]
  • Lehman Brothers: [ˈliːmən ˈbɹʌðɚz]
  • Cem Özdemir: [dʒɛm ˈœsdeˌmiːɐ̯]
  • Mohammad Reza Pahlavi (محمدرضا پهلوی):
    [mohæˈmːæd ɾeˈzɒː pæhlæˈviː]
  • Somchai Wongsawat (สมชาย วงศ์สวัสดิ์):
    [sǒmtɕʰaːj woŋsàwát]
Anmerkung zum Csárdás: Die Sibilanten des Ungarischen bzw. deren grafemische Umsetzung ist für viele Deutsche ein Buch mit sieben Siegeln. Daher hier eine kompakte Übersicht: ›s‹ steht immer für [ʃ], wie in ›sárga‹ [ˈʃaːrɡɒ], was ›gelb‹ bedeutet, während [s] durch ›sz‹ – wie in ›szem‹ [sɛm] für ›Auge‹ – und [z] durch ›z‹ – wie in ›kéz‹ [keːz] für ›Hand‹ – ausgedrückt wird. Der stimmhafte postalveolare Frikativ [ʒ] wird ›zs‹ geschrieben, etwa in ›zseb‹ [ʒɛb], dem ungarischen Wort für ›Tasche‹. Zu den Affrikaten: [dz] ist – ganz nachvollziehbar – ›dz‹, zum Beispiel in der madjarisierten Schreib- und Sprechweise ›dzadzíki‹ [ˈdzɒdziːki], während für [ts] der einzelne Buchstabe ›c‹ steht, wie in ›kukac‹ [ˈkukɒts] – so nennen Ungarn unter anderem das @-Zeichen. Für [dʒ] kombiniert man einfach die Buchstaben, die für [ʒ] stehen, mit einem ›d‹ und kommt damit zu ›dzs‹; daher schreibt man ›Jazz‹, auf Englisch [dʒæz] gesprochen, im Ungarischen ›dzsessz‹ und spricht es – wie im Deutschen – [dʒɛs]. Die Buchstabenfolge für [tʃ] schließlich ist ›cs‹ – wie am Anfang von ›Csárdás‹ eben.

Anmerkung zu Martina Gedeck: Die Schauspielerin heißt in der Tat wie das, was das wohl bekannteste deutsche Wörterbuch definiert als »Gesamtheit aller für eine Person auf einen Tisch in bestimmter Anordnung hingelegten Gegenstände zur Benutzung bei einer Mahlzeit«. Diese Gesamtheit spricht man allerdings [ɡəˈdɛk].

Anmerkung zu Cem Özdemir: Im Durchschnitt hat sich die Aussprache des Nachnamens in letzter Zeit deutlich verbessert. Noch vor wenigen Jahren war [ˈœts-] weit verbreitet. Der Buchstabe ›z‹ steht im Türkischen, anders als in der deutschen Sprache, invariabel für [z]. Aufgrund der deutschen Auslautverhärtung wird aus dem am Ende der ersten Silbe stehenden /z/ ein [s]. In der Türkei würde man den Namen auf der letzten Silbe betonen; der Politiker scheint sich in seiner Präferenz an die deutsche Intuition angepasst zu haben. Der Weg vom populären, aber der ursprünglichen Lautung unangemessenen Wiedergabe des Vornamens als [tʃɛm] zum adäquaten [dʒɛm] scheint etwas weiter zu sein.



Freitag, 12. September 2008
Wörter-[buːx] VII [Fester Link zum Beitrag]
Dieses Mal mit speziellen Grüßen an eine schreibfreudige Irlandreisende:
  • Balmoral: [bælˈmɒɹəl]
  • Warren Beatty: [ˈwɑːɹən ˈbeɪɾi]
  • Fidel Alejandro Castro Ruz: [fiˈðel aleˈxandɾo ˈkastɾo rus]
  • Drumnadrochit: [ˌdɹʌmnəˈdɹɒxɪt]
  • Henning Mankell: [ˈhɛnɪŋ ˈmaŋkəl]
  • Ottawa: [ˈɑːɾəwə]
  • Sevastopol’ (Севастополь): [seʋɐˈstɔpolʲ] (ukrain.)
    bzw. [sʲɪvʌˈstopəlʲ] (russ.)
  • Brigitte Zypries: [bʁiˈɡɪtə ˈtsyːpʁɪs]
Anmerkung zu Warren Beatty: Andere Träger desselben Namens sprechen ihn [ˈbiːti] aus oder in Nordamerika – wie gezeigt mit Flapping des /t/ – [ˈbiːɾi].

Anmerkung zu Fidel Castro: Die Vokale im Spanischen, auch dem Kubas, sind präziser mit [e̞] und [o̞] anzugeben; sie haben also eine leicht offenere Qualität. In Kuba besteht die Tendenz, sowohl /s/ am Silbenende und vor Konsonanten wie auch das Phonem /x/ als [h] aussprechen. Ich habe sie nicht in die Transkription aufgenommen, da nicht alle Kubaner so sprechen. Die entsprechenden Anpassungen kann man sich leicht denken.

Anmerkung zu Ottawa: Die transkribierte Lautung geht von einer Varietät des Kanadischen aus, in der ›father‹ und ›bother‹ mit demselben Laut gesprochen werden und in der, wie in anderen nordamerikanischen Formen des Englischen, intervokalisches /t/ als Flap [ɾ] realisiert wird. Ein Brite würde wohl [ˈɒtəwə] sagen.



Mittwoch, 3. September 2008
Renault bringt ein neues SUV auf den Markt, habe ich in einer Anzeige gelesen. Und angefangen, darüber nachzudenken, wie man ›Koleos‹, den Namen des Gefährts, aussprechen soll. Eine Fernsehwerbung bestätigte meine Vermutung: [ʁəˈnoː koˈleːɔs] – in Deutschland. Nur: Wie heißt es in anderen Ländern? Im Französischen reiht sich das Kunstwort ein in die Gruppe der wenigen Begriffe, die auf [-os] enden; ich hatte auf deren kleine Zahl in einem Artikel vor über einem Jahr hingewiesen. Man sagt also [ʀə̹ˈno koleˈos]. Dieselbe Betonung wird im Spanischen angewandt, dort lautet die Produktbezeichnung [reˈnol koleˈos]. Ich kenne keine andere Sprache, in der im Markennamen ›Renault‹ die im französischen Original stummen Konsonanten nach dem [o] gesprochen werden. Dass diese Aussprache in Spanien nicht nur in der Werbung, sondern auch im Alltag verwendet wird, zeigt eine Suche nach ›Renol‹ auf spanischen Websites. Wer die Idee hatte, diese Lautung zu propagieren, vermag ich nicht zu sagen. Mit den phonologischen Erfordernissen des Spanischen kann man nicht argumentieren, da [no] eine akzeptable Silbe ist, wenn auch nicht in Verbindung mit der gegebenen Grafie. Die verbleibende Möglichkeit der Betonung, auf der ersten Silbe, wird in mindestens zwei europäischen Sprachen genutzt: In Italien spricht sich der Name des Wagens [reˈno ˈkɔːleɔs]; auf der britischen Insel heißt es [ˈɹɛnəʊ ˈkɒliɒs]. In den USA sagt man [ɹəˈnɑːlt] für den Hersteller – wenn man dort überhaupt auf die Idee kommt, über die Anschaffung eines solchen Autos zu diskutieren.



Wörter-[buːx] VI [Fester Link zum Beitrag]
Dieses Mal ein Personennamen-Spezial mit leichtem Schwerpunkt auf dem angloamerikanischen Raum, insbesondere den US-Präsidentschaftswahlen:
  • Paulo Coelho: [ˈpau̯lu ˈku̯eʎu]
  • Glenn Gould: [ɡlɛn ɡuːld]
  • Ruud Gullit: [ɾyːt ˈχʏlɪt]
  • Sergej Viktorovič Lavrov (Сергей Викторович Лавров):
    [sʲɪrˈɡʲej ˈvʲiktərəvʲɪtʲɕ lʌˈvrɔf]
  • Barack Obama: [bəˈɹɑːk oʊˈbɑːmə]
  • Sarah Palin: [ˈsɛɹə ˈpeɪlɪn]
  • Samakra Sunthonwet (สมัคร สุนทรเวช):
    [sàmákʰɾá sǔntʰɔːnwêːt̚]
  • Pete Townshend: [piːt ˈtaʊnzɛnd]
Anmerkung zu Barack Obama: Die korrekte Aussprache war hier schon am 9. Juni vergangenen Jahres zu lesen. Da war der Senator aus Illinois noch einer von acht Kandidaten der Demokratischen Partei für das Amt des US-Präsidenten. Das Ausmaß, das die Berichterstattung über den jungen Mann in Deutschland inzwischen erreicht hat, trägt offenbar kaum dazu bei, dass sich die richtige Lautung des Vornamens durchsetzt. Vielmehr ist umso häufiger die phonetische Insensibilität zahlreicher Sprecher, Moderatoren, Reporter in Funk und Fernsehen zu bestaunen: Da ist zum Beispiel Hillary Clinton zu hören, wie sie den Namen ihres Parteifreundes – natürlich richtig – ausspricht. Den Reporter hindert das nicht daran, in der unmittelbar folgenden Übersetzung des englischen O-Tons etwas wie [ˈbɛrək] zu produzieren. Dabei wäre es denkbar einfach, mit einer Eindeutschung wie [baˈʁaːk] wenigstens die Betonung und im Groben die Vokalqualitäten beizubehalten. Mangelt es an Wissen, Fähigkeiten oder, was ich glaube, an Interesse?



Samstag, 30. August 2008
Ein eher typografischer als phonetischer Lapsus war mein Schmunzler des Tages: Eine Mobilfunkfirma gratuliert via Zeitschriftenanzeige einer Olympiasiegerin, die für sie Werbung macht. Da die Olympischen Spiele in China stattgefunden haben, soll asiatisches Flair in die Anzeige. Also hat man sich ›Herzlichen Glückwunsch!‹ ins Chinesische übersetzen lassen: ›Göngxi!‹ Göng? Seit wann braucht man ein ›ö‹, um romanisiertes Mandarin zu schreiben? Vielleicht hat man in der Werbeagentur nur die Suchmaschine betätigt, vielleicht wurde ein Übersetzungsbüro um eine Fassung in lateinischer Schrift gebeten. Das Ergebnis dürfte in beiden Fällen die Pinyin-Wiedergabe von 恭喜 gewesen sein: ›Gōng Xǐ‹, sprich: [˥˥ kʊŋ ˨˩˦ ɕi]. Die Übersetzung ist korrekt, aber damit hört es dann leider schon auf.

Was die Diakritika über den Vokalen bedeuten, wissen regelmäßige Leser dieses Blogs: Jede Silbe im Chinesischen, das heißt: jedes Zeichen, ist zur Bedeutungsunterscheidung durch einen bestimmten Verlauf der Tonhöhe gekennzeichnet; man spricht von einer Konturtonsprache. Während regionale Varietäten des Chinesischen – trotz Unterschieden in Lexikon und Grammatik – einander im Schriftlichen erkennbar ähneln, decken sich deren Phonologien und damit auch die Toninventare kaum. Kantonesisch zum Beispiel hat insgesamt neun distinkte Tonkonturen, Mandarin deren vier, wenn man den sogenannten ›neutralen Ton‹ ausschließt. Diese Konturen werden in Pinyin, einem weit verbreiteten Transliterationssystem für das Hochchinesische, durch besagte Diakritika bezeichnet: Das Makron (ˉ) steht für einen konstant hohen Ton [˥˥], der Akut (´) für einen steigenden [˧˥], das Háček (ˇ) – im Tschechischen übrigens [ˈɦaːtʃɛk] lautend – für einen zunächst fallenden, dann steigenden [˨˩˦] und der Gravis (`) für einen fallenden Ton [˥˩]. Man illustriert dies typischerweise mit der Silbe ›ma‹, da sie mit allen fünf Tönen eine Bedeutung hat: ›Ma‹, mit neutralem Ton, dient als Fragepartikel in Entscheidungsfragen, ›mā‹ bedeutet ›Mutter‹, ›má‹ heißt ›Hanf‹, als ›mǎ‹ bezeichnet man ein Pferd, ›mà‹, mit fallendem Ton, kann wie ein Verb mit der Bedeutung ›schimpfen‹ verwendet werden.

In der Werbeagentur konnte man mit den Tonzeichen offensichtlich nichts anfangen. Auch die in der Anzeige verwendete Schriftart erlaubt deren Darstellung nicht. Doch statt die Diakritika entfallen zu lassen, was außerhalb von Deutschland schon manchen Müller zum ›Muller‹ gemacht hat und in diesem Fall sogar akzeptabel gewesen wäre, wurde aus ›Gōng‹ eben ›Göng‹. Gut gemeint, aber in der Ausführung sonderbar. Vielleicht haben ein paar Chinesen die Anzeige auch gesehen und, wie ich, darüber grinsen müssen.



Dienstag, 19. August 2008
Wörter-[buːx] V [Fester Link zum Beitrag]
  • Hú Jǐntāo (胡锦涛): [˧˥ xu ˨˩ tɕin ˥˥ tʰɑʊ]
  • Oskar Lafontaine: [ˈɔskaːɐ̯ ˈlafɔntɛːn]
  • Origano/Oregano: [oˈriːɡano] (it.) bzw. [oˈʁeːɡano] (dt.)
  • Micheil Saakaschwili (მიხეილ სააკაშვილი): [ˈmixɛiɫ ˈsak’aʃviɫi]
  • Martin Scorsese: [ˈmɑːɹtɪn skɔːrˈsɛsi]
  • Aleksandr Isaevič Solženicyn (Александр Исаевич Солженицын):
    [ʌlʲɪˈksandr ɪˈsajɪvʲɪtʲɕ səlʐɨˈnʲit͜sɨn]
  • Tagalog: [tɐˈɡaloɡ] (Tagalog) bzw. [taˈɡaːlɔk] (dt.)
  • Torquay: [tɔːˈkiː]
Anmerkung zu Micheil Saakaschwili: Das Phonem /i/ des Georgischen wird [i̞] gesprochen; /ɛ/ lautet [ɛ̝]. Die Betonung ist – wie die Vokallänge – nicht bedeutungsunterscheidend und dementsprechend schwach. In kürzeren Wörtern wird meist die erste Silbe als betont empfunden; gibt es mehr als drei Silben, existiert eine Präferenz für Betonung auf der Antepänultima. Auf Namen sind solche Regeln natürlich nur bedingt anwendbar.

Anmerkung zu Martin Scorsese: Bei der obigen Angabe handelt es sich um eine Transkription des Namens, wie ihn der Regisseur selbst bei einem Auftritt in einer 2008 gezeigten Folge der US-Fernsehserie Entourage ausspricht. Dafür, dass Scorsese seinen Namen – wie vielerorts behauptet – (auch) [skɔːrˈseɪzi] spricht, gibt es meines Wissens keine Belege.

Anmerkung zu Tagalog: /t/ wird apiko-dental oder apiko-alveolar und, wie alle Plosive dieser Sprache, unaspiriert realisiert, also [t̺⁼]; /l/ ist dental, also [l̪]; /o/ spricht sich [o̞]. Auch im Tagalog, dessen Name hier transkribiert ist, unterscheidet die Vokallänge keine Wörter voneinander, wohl aber tut dies die Betonung. Wie im Georgischen sind betonte Vokale jedoch phonetisch länger als unbetonte.



Samstag, 5. Juli 2008
Madame Tussauds [Fester Link zum Beitrag]
Das Londoner Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds (auch im Englischen tatsächlich ohne Apostroph) hat neuerdings eine Niederlassung in Berlin. In der britischen Hauptstadt hatte Marie Grosholtz (1761–1850) das Museum 1835 gegründet – mit den Figuren ihres Onkels und unter dem Namen ihres ersten Mannes, François Tussaud. In Frankreich, wo sie ihn traf und auch wieder verließ, spricht man den heute quasi ausgestorbenen Nachnamen [tyˈso]. In Deutschland wird Madame Tussauds in der Regel [maˈdam tyˈsoːs] gesprochen. Wer des Französischen nicht kundig ist, mag die Schreibweise des Namens missdeuten und – wie oft gehört – bei [tuˈsoːs] herauskommen. Indes müsste im Französischen für diese Lautung der Name ›Toussaud‹ geschrieben werden. Im Englischen erübrigen sich derartige Überlegungen, da ein Äquivalent für das französische [y] ohnehin fehlt. Amerikaner sprechen folglich von [ˈmædəm tuˈsoʊz]; für Briten heißt die Ausstellung meist [ˈmædəm təˈsɔːdz]. Unbeachtet bleibt, dass das geschriebene ›d‹ ursprünglich keine phonetische Entsprechung hatte.



Tour de France 2008 [Fester Link zum Beitrag]
Vom heutigen 5. bis zum 27. Juli 2008 findet die 95. Tour de France statt. Hier die korrekte Aussprache der Start- und Zielorte der 21 Etappen – garantiert dopingfrei:

Samstag, 5. Juli (197,5 km)
Brest  /  Finistère [bʀɛst] – Plumelec / Morbihan [plymˈlɛk]

Sonntag, 6. Juli (164,5 km)
Auray / Morbihan [ɔˈʀɛ] – Saint-Brieuc / Côtes d’Armor [sɛ̃bʀiˈø]

Montag, 7. Juli (208 km)
Saint-Malo / Ille-et-Vilaine [sɛ̃mɑˈlo] – Nantes / Loire-Atlantique [nɑ̃t]

Dienstag, 8. Juli (29,5 km; EZF*)
Cholet / Maine-et-Loire [ʃɔˈlɛ] – Cholet

Mittwoch, 9. Juli (232 km)
Cholet – Châteauroux / Indre [ʃɑtoˈʀu]

Donnerstag, 10. Juli (195,5 km)
Aigurande / Indre [ɛɡyˈʀɑ̃d] – Super Besse / Puy-de-Dôme [syˌpɛʀˈbɛs]

Freitag, 11. Juli (159 km)
Brioude / Haute-Loire [bʀiˈud] – Aurillac / Cantal [ɔʀiˈjak]

Samstag, 12. Juli (172,5 km)
Figeac / Lot [fiˈʒak] – Toulouse / Haute-Garonne [tuˈluz]

Sonntag, 13. Juli (224 km)
Toulouse – Bagnères-de-Bigorre / Hautes-Pyrénées [baˈɲɛʀ dəbiˈɡɔʀ]

Montag, 14. Juli (156 km)
Pau / Pyrénées-Atlantiques [po] – Hautacam / Hautes-Pyrénées [otaˈkam]

Dienstag, 15. Juli
Erster Ruhetag

Mittwoch, 16. Juli (167,5 km)
Lannemezan / Hautes-Pyrénées [lanməˈzɑ̃] – Foix / Ariège [fwa]

Donnerstag, 17. Juli (168,5 km)
Lavelanet / Ariège [lavlaˈnɛ] – Narbonne / Aude [naʀˈbɔn]

Freitag, 18. Juli (182 km)
Narbonne – Nîmes / Gard [nim]

Samstag, 19. Juli (194,5 km)
Nîmes – Digne-les-Bains / Alpes-de-Haute-Provence [diɲleˈbɛ̃]

Sonntag, 20. Juli (183 km)
Embrun / Hautes-Alpes [ɑ̃ˈbʀœ̃] – Prato Nevoso / Cuneo (I) [ˈpraːto neˈvoːso]

Montag, 21. Juli
Zweiter Ruhetag

Dienstag, 22. Juli (157 km)
Cuneo / Cuneo (I) [ˈkuːneo] – Jausiers / Alpes-de-Haute-Provence [ʒoˈzje]

Mittwoch, 23. Juli (210,5 km)
Embrun – L’Alpe d’Huez / Isère [lalpˈdɥɛz]

Donnerstag, 24. Juli (196,5 km)
Le Bourg-d’Oisans / Isère [ləˈbuʀ dwaˈzɑ̃] – Saint-Étienne / Loire [sɛ̃teˈtjɛn]

Freitag, 25. Juli (165,5 km)
Roanne / Loire [ʀwan] – Montluçon / Allier [mɔ̃lyˈsɔ̃]

Samstag, 26. Juli (53 km; EZF*)
Cérilly / Allier [seʀiˈji] – Saint-Amand-Montrond / Cher [sɛ̃taˈmɑ̃ mɔ̃ˈʀɔ̃]

Sonntag, 27. Juli (143 km)
Étampes [eˈtɑ̃p] – Paris, Champs-Élysées [paˈʀi | ʃɑ̃zeliˈze]
(* Einzelzeitfahren)

Anmerkungen: Von den meisten Sprechern in Frankreich wird [ɑ] nicht (mehr) von [a] unterschieden; dann ist Letzteres dort einzusetzen, wo oben – ohnehin nur in zwei Transkriptionen – Ersteres auftaucht. Die Wörter patte [pat] und pâte [pɑt] sind für diese Sprecher keine Minimalpaare, sondern Homophone – sofern der Zusammenfall der Phoneme nicht, zumindest in kritischen Kontexten, kompensiert wird durch eine Längung des [a], wo es [ɑ] ersetzt. Das Gleiche gilt für [ɛ̃], das die Mehrzahl der Franzosen statt [œ̃] spricht. Neben [ʀ] ist [ʁ] eine weitverbreitete Realisierung des Phonems /r/.



Dienstag, 24. Juni 2008
Wörter-[buːx] IV [Fester Link zum Beitrag]
In den letzten Wochen gehört und gewundert:
  • Cher: [ʃɛɹ]
  • Fukuda Yasuo (福田 康夫): [ɸɯ̞̥̈kɯ̞̈da jasɯ̞̈o]
  • Henry Kissinger: [ˈhɛnɹi ˈkɪsɪndʒɚ]
  • lizenzieren: [litsɛnˈtsiːʁən]
  • Ľuboš Micheľ: [ˈlʲubo̞ʃ ˈmɪxe̞lʲ]
  • Maxïmo Park: [mækˈsiːməʊ pɑːk]
  • Max Mosley: [mæks ˈməʊzli]
  • Ayrton Senna da Silva: [aˈiɾtõ ˈsena da ˈsiwva]
Anmerkung zu ›lizenzieren‹: Ausnahmsweise kein Personen- oder Ortsname, sondern das deutsche Verb ist gemeint. Wohl noch häufiger als falsch gesprochen gehört, habe ich es demletzt falsch geschrieben gelesen, nämlich *lizensieren. Die von mir genannte Schreibweise und Lautung sind jeweils die kodifizierte. Ich gehe davon aus, dass die nicht-DUDEN-konforme Schreibweise der Ausgangspunkt ist für die Aussprache – und nicht umgekehrt. Die Spekulation, da interferiere womöglich das Verb ›zensieren‹, das so richtig geschrieben ist, halte ich für eher unplausibel. Ich glaube nicht, dass diese beiden Begriffe im Lexikon des Durchschnittssprechers verwechselt werden. Ohne Zweifel erfordert die Aussprache *[-ˈziːʁən] – man denke sich die möglichen Reduktionsstufen bis [-ˈzɪɐ̯n] usw. hinzu – etwas weniger artikulatorischen Aufwand denn [-ˈtsiːʁən], das als korrekt gilt. Alle Gegner der Schreibweise *lizensieren können übrigens hoffen: Der prozentuale Anteil der Belege für *lizensieren an einem geschriebenen Korpus, das ich ausgewertet habe, sinkt nahezu jährlich. 2007 betrug das Vorkommen von *lizensieren gerade noch 56 % des Höchstwerts von 2000.

Anmerkung zu Ayrton Senna: Die Vokalreduktion des brasilianischen Portugiesisch unterscheidet sich hörbar von der, die Sprecher der europäischen Varietät der Sprache produzieren. So wird ein silbenfinales /a/ von den meisten brasilianischen Sprechern weniger stark ›reduziert‹, das heißt: zentralisiert, als von europäischen. Beispielsweise lautet ›vaca‹ (dt. ›Kuh‹) in Portugal [ˈvakɐ]; für Brasilien wäre [ˈvaka̽] als engere Transkription denkbar, wobei das Diakritikum anzeigt, dass der Vokal zur Mitte hin zentralisiert wird, aber seine ursprüngliche Qualität erkennbar bleibt. Zur Vereinfachung schreibe ich oben [a].



Sonntag, 25. Mai 2008
Wörter-[buːx] III [Fester Link zum Beitrag]
  • Silvio Berlusconi: [ˈsilvi̯o berlusˈkoːni]
  • Eva Herzigová: [ˈɛva ˈɦɛrt͜sɪɡovaː]
  • Peter Ladefoged: [ˈpiːtə ˈlædifəʊɡɪd]
  • ›Quantum of Solace‹: [ˈkwɒntəm əv ˈsɒlɪs]
  • Sìchuān (四川): [˥˩ sɨ ˥˥ ʈʂʰu̯an]
  • Umeå: [ˈʉ̞ːmeoː]
  • Zenit Sankt-Peterburg (Зенит Санкт-Петербург):
    [zʲɪˈnʲit ˌsankt pʲɪtʲɪrˈburk]
  • Zībó (淄博): [˥˥ t͜sɨ ˧˥ pu̯ɔ]
Anmerkung zu Sìchuān: Der hier [ɨ] transkribierte Vokal ist Gegenstand ausführlicher Diskussionen unter Phonetikern; Beiträge finden sich unter anderem in John Wells’s phonetic blog. Eine verbreitete Alternative zu dem von mir verwendeten Symbol ist [ɯ].



Mittwoch, 14. Mai 2008
Beim Googlen bin ich auf eine CD-Besprechung von vor drei Jahren gestoßen. Darin wird überrascht angemerkt, dass die irische Musikerin Róisín Murphy »auf dem Cover ihren Vornamen mit zwei Accent aigu* versieht […] – wie auch immer sich das auf die Aussprache auswirken mag.« Da Frau Murphy englische Muttersprachlerin ist: zunächst einmal gar nicht. Wie hier bereits notiert, gebraucht sie selbst die Aussprache [ɹʌˈʃiːn ˈmɝːfi], und würde das vermutlich auch tun, wenn die zwei Akzente nicht da wären. Im Irischen sieht es anders aus: Róisín lautet hier [ˈɾˠoːʃiːnʲ]. Fehlte der Akzent auf dem ›o‹, wäre der erste Vokal ein [ɔ], wie zum Beispiel im Infinitiv des Verbs ›clois‹ (dt. ›hören‹) [kɫ̪ɔʃ]. In anderen Umgebungen kann die gleiche Buchstabenfolge andere phonetische Werte annehmen: So spricht man das Wort ›coill‹ (dt. ›Wald‹) als [kəilʲ], ›droim‹ (dt. ›Rücken‹) als [d̪ˠɾˠiːmʲ] und ›troid‹ (dt. ›Kampf‹) als [t̪ˠɾˠɛdʲ]. Und in ›coirnéal‹ (dt. ›Ecke‹), einem wohl dem Englischen entlehnten Begriff, findet man die phonetische Qualität aus dem Vornamen wieder: Das Wort spricht sich [ˈkoːɾˠnʲeɫ̪]. Auch der Akzent auf dem ›i‹ hat mehr als eine schmückende Funktion, wenngleich er die Aussprache auf weniger drastische Weise verändert: Im Wort ›inní‹ (dt. ›Eingeweide‹) sind beide Laute zu hören; man spricht es [ˈɪnʲiː]. Im Irischen unterscheidet sich ›nn‹ phonetisch nicht vom einzelnen Vorkommen des Buchstaben; es gibt – auch bei anderen Konsonanten – keine Längung. Die entscheidende Differenzierung, wie sie in den Transkriptionen zu sehen ist, trennt Konsonanten nach ihrer graphemischen Umgebung: Ist der nächste geschriebene Vokal ein ›a‹, ›o‹ oder ›u‹, ist der Konsonant ›broad‹, also – grob gesagt – velarisiert oder jedenfalls nicht patalisiert. Die palatalisierten Konsonanten, ›slender‹ genannt, treten in der Umgebung der Vokalgrapheme ›e‹ und ›i‹ auf. Ein Beispiel: Der Buchstabe ›g‹ vor ›a‹, wie in ›gaineamh‹ (dt. ›Sand‹), wird nicht palatalisiert, das Wort lautet [ˈɡanʲau]; vor ›e‹ verändert sich die Aussprache von ›g‹, wie in ›gearr‹ (dt. ›kurz‹) zu [ɟaːɾˠ]. Wer zum ersten Mal Sprecher des Irischen hört, mag die Opposition velarisiert – palatalisiert spontan in Frage stellen: In dem Fast-Minimalpaar ›bád‹ (dt. ›das Boot‹) [bˠad̪ˠ] vs. ›báid‹ (dt. ›des Bootes‹) [bˠaːdʲ] etwa klingt das palatalisierte ›d‹ wie eine alveolo-palatale Affrikate; auch das stimmlose Gegenstück [tʲ] sowie [c] und [ɟ] könnten ›affrikatisiert‹ werden.

*Beckmesser-Fußnote: ›Zwei Accents aigus‹ bzw. ›zwei Akute‹ ist wohl gemeint.



Sonntag, 4. Mai 2008
Korrekt archaisieren [Fester Link zum Beitrag]
Laura Marling, eine junge englische Songwriterin, hat vor einigen Wochen ein Album mit dem Titel Alas, I Cannot Swim veröffentlicht. Die Platte wurde im deutschen Radio besprochen, und schon klang ›alas‹ ähnlich wie der Frauenname ›Alice‹. In Wörterbüchern wird ›alas‹, was so viel wie ›leider‹ bedeutet, als altertümelnder oder literarisierender Begriff geführt. Es gibt eine Reihe weiterer englischer Wörter, die gerade wegen ihres heute archaischen Beiklangs noch gerne in Texte eingeflochten werden. Das ist als Stilmittel natürlich erlaubt – und noch eleganter, wenn man beim Vortrag die korrekte Aussprache parat hat. Da wären etwa die mit ›alas‹ [əˈlæs] gleichbedeutenden ›alack‹ [əˈlæk] und ›lackaday‹ [ˈlækədeɪ]. Für die Interjektion ›Zounds!‹ [zaʊndz] gibt es die schöne deutsche Übersetzung ›Sapperlot!‹, das heute höchstens von Sprechern fortgeschritteneren Alters, vulgo: Oma und Opa, zu hören ist. Das Original ist bei Shakespeare, je nach Stück, im halben Dutzend zu bekommen. Auch von den Temporal- und Lokaladverbien haben sich einige Vertreter ins Englische des 21. Jahrhunderts gerettet: Die altmodische Variante von ›between‹ lautet ›betwixt‹ [bɪˈtwɪkst], für ›kurz darauf‹ hieß es – im Rime of the Ancient Mariner (Ende 18. Jh.) beispielsweise – ›eftsoons‹ [ɛftˈsuːnz], ›thenceforth‹ [ˌðɛntsˈfɔːθ] wurde von Begriffen wie ›thereafter‹ verdrängt, statt ›ofttimes‹ [ˈɒfttaɪmz] sagt man heute wohl eher ›frequently‹. Noch ein paar nette Vokabeln: Mit ›certes‹ [ˈsɜːtɪz] lässt sich trefflich latinisieren, ›maugre‹ [ˈmɔːɡə] deutet Französischkenntnisse an, bei ›forsooth‹ [fəˈsuːθ] fühlt man sich gleich zu Pepys & Co. zurückversetzt. Als phonetische Stolperfalle von diesen Wörtern wohl am besten geeignet sind folgende zwei: Mit ›yclept‹ [ɪˈklɛpt], was so viel bedeutet wie ›genannt‹, spielt James Joyce im ›Oxen of the Sun‹-Kapitel seines ›Ulysses‹, das die sprachliche Entwicklung des Englischen bis ins Dublin des frühen 20. Jahrhunderts nachvollzieht. Bei ›albeit‹ habe ich auch von englischen Muttersprachlern Lautungen gehört, die auf die falsche Segmentierung ›al-beit‹ hindeuten. Richtig ist ›al-be-it‹, wörtlich ›auch wenn es so sei‹, was man dreisilbig [ɔːlˈbiːɪt] spricht, und nicht zweisilbig mit einem Diphthong. Für gebildete Englischsprecher theoretisch alles kein Problem, aber wenn man die heiteren Kasuswirren liest, die mit ›thou‹ [ðaʊ] (›du‹), ›thee‹ [ðiː] (›dich/dir‹) und ›thy‹ [ðaɪ] (›dein‹) produziert werden, möchte man nach der Aussprache gar nicht fragen. Man möchte vielmehr ergänzen: Die alten Präsensformen der Verben ›have‹, ›say‹ und ›do‹ in der 2. und 3. Person Singular lauten in ihren Vollformen ›(thou) hast‹ [hæst], aber ›(he) hath‹ [hæθ], ›(thou) sayest‹ [ˈseɪɪst], aber ›(he) saith‹ [sɛθ], ›(thou) doest‹ [ˈduːɪst], aber ›(he) doeth‹ [ˈduːɪθ]. Ist ›do‹ ein Hilfsverb, schreibt und sagt man ›(thou) dost‹ [dʌst] und ›(he) doth‹ [dʌθ]. *›I hast‹ und *›thou doeth‹? Nay, I prithee! [neɪ | aɪ ˈpɹɪði]



Dienstag, 11. März 2008
Wörter-[buːx] II [Fester Link zum Beitrag]
  • Ante Gotovina: [ˈante̞ ɡo̞ˈto̞ʋina]
  • Autechre: [ɔːˈtɛkə]
  • Erwin Geschonneck: [ˈɛʁviːn ˈɡɛʃɔnɛk]
  • Jaheim: [dʒəˈhiːm]
  • Lahore (Urdu: لاہور; Hindi: लाहौर): [lɑːɦoːr]
  • John Mellencamp: [dʒɑːn ˈmɛlənkæmp]
  • Adam Michnik: [ˈadam ˈmʲixɲik]
  • Róisín Murphy: [ɹʌˈʃiːn ˈmɝːfi]
Anmerkung zu Erwin Geschonneck: Durch ihre Aussprachedatenbank, die jedem Mitarbeiter online zugänglich ist, will die ARD erreichen, dass die Lautung von Namen ab der ersten Nennung korrekt ist; das funktioniert noch nicht richtig. Erstmals um 14 Uhr meldete die tagesschau den Tod des ostdeutschen Schauspielers; dessen Name wurde von Claus-Erich Boetzkes *[ɡɛˈʃɔnɛk] gesprochen, also falsch auf der zweiten Silbe betont. In der Sendung um 15 Uhr und eine Stunde später war, wieder von Boetzkes, ein verunglücktes *[ˈɡɛːʒɔnɛk] zu hören. Vielleicht ist es die Geografie: Der hörbare Bayer Boetzkes mag Geschonneck nicht kennen. Der Nekrolog in der 16-Uhr-tagesschau, in dem die erste korrekte Aussprache zu vernehmen war, kam von Steffen Streu, einem RBB-Journalisten, dem der Schauspieler wohl ein Begriff war. Aus Boetzkes *[ˈɡeːʃɔnɛk] in der 17-Uhr-Sendung wurde [ˈɡɛʃɔnɛk], sodass immerhin in der Hauptausgabe um 20 Uhr sowie in den tagesthemen die richtige Aussprache verwendet wurde. Schwacher Trost für ARD-aktuell, die aus ihren Möglichkeiten hier zu wenig gemacht haben: Von mittags über die 19-Uhr-Hauptnachrichten bis zur heute nacht war es im ZDF nur falsch zu hören. Die haben’s also gar nicht hinbekommen.



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