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DAS PHONETIK-BLOG [foˈneːtɪkˌblɔk]
Donnerstag, 21. Mai 2009
Wörter-[buːx] XI [Fester Link zum Beitrag]
Anmerkung zu Tadeusz Różewicz: Über die Realisierung der polnischen Grafeme ›sz‹, ›rz‹ und ›ż‹ herrscht Uneinigkeit. Es gibt zwei Positionen: Die erste – meines Erachtens phonetisch plausiblere – besteht in der Annahme, dass die Laute als [ʃ̻] und [ʒ̻], das heißt: mit dem Zungenblatt an den Alveolen artikuliert, richtig beschrieben sind; die zweite hält die Konsonanten für laminal und retroflex, also [ʂ̻] und [ʐ̻]. Unumstritten ist, dass die beiden Laute mit [ɕ] und [ʑ] kontrastieren, die unter anderem den Grafemen ›ś‹ und ›ź‹ entsprechen. Mittwoch, 21. Januar 2009
Wörter-[buːx] X [Fester Link zum Beitrag]
Anmerkung zu Thukydides: Die Lautung altgriechischer Namen in lebenden Sprachen ist zuweilen sonderbar, wie ich schon einmal in einem Beitrag vor anderthalb Jahren angemerkt hatte. Bei dem Namens des besagten Historikers hat sich von der klassisch attischen zur neugriechischen Lautung – wie man es in rund 2500 Jahren erwarten kann – einiges geändert. Gleich blieb jedoch die Betonung: Sie liegt in jedem Fall auf der vorletzten Silbe, wobei sie heute nicht mehr, wie vermutlich einst im Altgriechischen, als Pitch-Akzent realisiert wird. Merkwürdig ist nun, dass diese Betonung in kaum einer mitteleuropäischen Sprache wiederzufinden ist. Im Deutschen zum Beispiel sagen die meisten Altsprachler [tuˈkyːdidɛs], in Spanien heißt es [tuˈθiðiðes] bei der Schreibweise ›Tucídides‹, Briten schreiben ›Thucydides‹ und sagen [θjuˈsɪdədiːz]. Sprachen mit fixiertem Wortakzent wie das Französische, das ein dem Griechischen ähnliches [tysiˈdid] hat, oder das Polnische, wo es meines Wissens [tukiˈdɨdɛs] heißt, fallen bei dieser Betrachtung heraus. Mittwoch, 5. November 2008
Wörter-[buːx] IX [Fester Link zum Beitrag]
Montag, 6. Oktober 2008
Wörter-[buːx] VIII [Fester Link zum Beitrag]
Herzliche Grüße gehen an eine Friedensforscherin mit ausdauernden Ohren:
Anmerkung zu Martina Gedeck: Die Schauspielerin heißt in der Tat wie das, was das wohl bekannteste deutsche Wörterbuch definiert als »Gesamtheit aller für eine Person auf einen Tisch in bestimmter Anordnung hingelegten Gegenstände zur Benutzung bei einer Mahlzeit«. Diese Gesamtheit spricht man allerdings [ɡəˈdɛk]. Anmerkung zu Cem Özdemir: Im Durchschnitt hat sich die Aussprache des Nachnamens in letzter Zeit deutlich verbessert. Noch vor wenigen Jahren war [ˈœts-] weit verbreitet. Der Buchstabe ›z‹ steht im Türkischen, anders als in der deutschen Sprache, invariabel für [z]. Aufgrund der deutschen Auslautverhärtung wird aus dem am Ende der ersten Silbe stehenden /z/ ein [s]. In der Türkei würde man den Namen auf der letzten Silbe betonen; der Politiker scheint sich in seiner Präferenz an die deutsche Intuition angepasst zu haben. Der Weg vom populären, aber der ursprünglichen Lautung unangemessenen Wiedergabe des Vornamens als [tʃɛm] zum adäquaten [dʒɛm] scheint etwas weiter zu sein. Freitag, 12. September 2008
Wörter-[buːx] VII [Fester Link zum Beitrag]
Dieses Mal mit speziellen Grüßen an eine schreibfreudige Irlandreisende:
Anmerkung zu Fidel Castro: Die Vokale im Spanischen, auch dem Kubas, sind präziser mit [e̞] und [o̞] anzugeben; sie haben also eine leicht offenere Qualität. In Kuba besteht die Tendenz, sowohl /s/ am Silbenende und vor Konsonanten wie auch das Phonem /x/ als [h] aussprechen. Ich habe sie nicht in die Transkription aufgenommen, da nicht alle Kubaner so sprechen. Die entsprechenden Anpassungen kann man sich leicht denken. Anmerkung zu Ottawa: Die transkribierte Lautung geht von einer Varietät des Kanadischen aus, in der ›father‹ und ›bother‹ mit demselben Laut gesprochen werden und in der, wie in anderen nordamerikanischen Formen des Englischen, intervokalisches /t/ als Flap [ɾ] realisiert wird. Ein Brite würde wohl [ˈɒtəwə] sagen. Mittwoch, 3. September 2008
Renault Koleos [Fester Link zum Beitrag]
Renault bringt ein neues SUV auf den Markt, habe ich in einer Anzeige gelesen. Und angefangen, darüber nachzudenken, wie man ›Koleos‹, den Namen des Gefährts, aussprechen soll. Eine Fernsehwerbung bestätigte meine Vermutung: [ʁəˈnoː koˈleːɔs] – in Deutschland. Nur: Wie heißt es in anderen Ländern? Im Französischen reiht sich das Kunstwort ein in die Gruppe der wenigen Begriffe, die auf [-os] enden; ich hatte auf deren kleine Zahl in einem Artikel vor über einem Jahr hingewiesen. Man sagt also [ʀə̹ˈno koleˈos]. Dieselbe Betonung wird im Spanischen angewandt, dort lautet die Produktbezeichnung [reˈnol koleˈos]. Ich kenne keine andere Sprache, in der im Markennamen ›Renault‹ die im französischen Original stummen Konsonanten nach dem [o] gesprochen werden. Dass diese Aussprache in Spanien nicht nur in der Werbung, sondern auch im Alltag verwendet wird, zeigt eine Suche nach ›Renol‹ auf spanischen Websites. Wer die Idee hatte, diese Lautung zu propagieren, vermag ich nicht zu sagen. Mit den phonologischen Erfordernissen des Spanischen kann man nicht argumentieren, da [no] eine akzeptable Silbe ist, wenn auch nicht in Verbindung mit der gegebenen Grafie. Die verbleibende Möglichkeit der Betonung, auf der ersten Silbe, wird in mindestens zwei europäischen Sprachen genutzt: In Italien spricht sich der Name des Wagens [reˈno ˈkɔːleɔs]; auf der britischen Insel heißt es [ˈɹɛnəʊ ˈkɒliɒs]. In den USA sagt man [ɹəˈnɑːlt] für den Hersteller – wenn man dort überhaupt auf die Idee kommt, über die Anschaffung eines solchen Autos zu diskutieren.
Wörter-[buːx] VI [Fester Link zum Beitrag]
Dieses Mal ein Personennamen-Spezial mit leichtem Schwerpunkt auf dem angloamerikanischen Raum, insbesondere den US-Präsidentschaftswahlen:
Samstag, 30. August 2008
Ein eher typografischer als phonetischer Lapsus war mein Schmunzler des Tages: Eine Mobilfunkfirma gratuliert via Zeitschriftenanzeige einer Olympiasiegerin, die für sie Werbung macht. Da die Olympischen Spiele in China stattgefunden haben, soll asiatisches Flair in die Anzeige. Also hat man sich ›Herzlichen Glückwunsch!‹ ins Chinesische übersetzen lassen: ›Göngxi!‹ Göng? Seit wann braucht man ein ›ö‹, um romanisiertes Mandarin zu schreiben? Vielleicht hat man in der Werbeagentur nur die Suchmaschine betätigt, vielleicht wurde ein Übersetzungsbüro um eine Fassung in lateinischer Schrift gebeten. Das Ergebnis dürfte in beiden Fällen die Pinyin-Wiedergabe von 恭喜 gewesen sein: ›Gōng Xǐ‹, sprich: [˥˥ kʊŋ ˨˩˦ ɕi]. Die Übersetzung ist korrekt, aber damit hört es dann leider schon auf.
Was die Diakritika über den Vokalen bedeuten, wissen regelmäßige Leser dieses Blogs: Jede Silbe im Chinesischen, das heißt: jedes Zeichen, ist zur Bedeutungsunterscheidung durch einen bestimmten Verlauf der Tonhöhe gekennzeichnet; man spricht von einer Konturtonsprache. Während regionale Varietäten des Chinesischen – trotz Unterschieden in Lexikon und Grammatik – einander im Schriftlichen erkennbar ähneln, decken sich deren Phonologien und damit auch die Toninventare kaum. Kantonesisch zum Beispiel hat insgesamt neun distinkte Tonkonturen, Mandarin deren vier, wenn man den sogenannten ›neutralen Ton‹ ausschließt. Diese Konturen werden in Pinyin, einem weit verbreiteten Transliterationssystem für das Hochchinesische, durch besagte Diakritika bezeichnet: Das Makron (ˉ) steht für einen konstant hohen Ton [˥˥], der Akut (´) für einen steigenden [˧˥], das Háček (ˇ) – im Tschechischen übrigens [ˈɦaːtʃɛk] lautend – für einen zunächst fallenden, dann steigenden [˨˩˦] und der Gravis (`) für einen fallenden Ton [˥˩]. Man illustriert dies typischerweise mit der Silbe ›ma‹, da sie mit allen fünf Tönen eine Bedeutung hat: ›Ma‹, mit neutralem Ton, dient als Fragepartikel in Entscheidungsfragen, ›mā‹ bedeutet ›Mutter‹, ›má‹ heißt ›Hanf‹, als ›mǎ‹ bezeichnet man ein Pferd, ›mà‹, mit fallendem Ton, kann wie ein Verb mit der Bedeutung ›schimpfen‹ verwendet werden. In der Werbeagentur konnte man mit den Tonzeichen offensichtlich nichts anfangen. Auch die in der Anzeige verwendete Schriftart erlaubt deren Darstellung nicht. Doch statt die Diakritika entfallen zu lassen, was außerhalb von Deutschland schon manchen Müller zum ›Muller‹ gemacht hat und in diesem Fall sogar akzeptabel gewesen wäre, wurde aus ›Gōng‹ eben ›Göng‹. Gut gemeint, aber in der Ausführung sonderbar. Vielleicht haben ein paar Chinesen die Anzeige auch gesehen und, wie ich, darüber grinsen müssen. Dienstag, 19. August 2008
Wörter-[buːx] V [Fester Link zum Beitrag]
Anmerkung zu Martin Scorsese: Bei der obigen Angabe handelt es sich um eine Transkription des Namens, wie ihn der Regisseur selbst bei einem Auftritt in einer 2008 gezeigten Folge der US-Fernsehserie Entourage ausspricht. Dafür, dass Scorsese seinen Namen – wie vielerorts behauptet – (auch) [skɔːrˈseɪzi] spricht, gibt es meines Wissens keine Belege. Anmerkung zu Tagalog: /t/ wird apiko-dental oder apiko-alveolar und, wie alle Plosive dieser Sprache, unaspiriert realisiert, also [t̺⁼]; /l/ ist dental, also [l̪]; /o/ spricht sich [o̞]. Auch im Tagalog, dessen Name hier transkribiert ist, unterscheidet die Vokallänge keine Wörter voneinander, wohl aber tut dies die Betonung. Wie im Georgischen sind betonte Vokale jedoch phonetisch länger als unbetonte. Samstag, 5. Juli 2008
Madame Tussauds [Fester Link zum Beitrag]
Das Londoner Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds (auch im Englischen tatsächlich ohne Apostroph) hat neuerdings eine Niederlassung in Berlin. In der britischen Hauptstadt hatte Marie Grosholtz (1761–1850) das Museum 1835 gegründet – mit den Figuren ihres Onkels und unter dem Namen ihres ersten Mannes, François Tussaud. In Frankreich, wo sie ihn traf und auch wieder verließ, spricht man den heute quasi ausgestorbenen Nachnamen [tyˈso]. In Deutschland wird Madame Tussauds in der Regel [maˈdam tyˈsoːs] gesprochen. Wer des Französischen nicht kundig ist, mag die Schreibweise des Namens missdeuten und – wie oft gehört – bei [tuˈsoːs] herauskommen. Indes müsste im Französischen für diese Lautung der Name ›Toussaud‹ geschrieben werden. Im Englischen erübrigen sich derartige Überlegungen, da ein Äquivalent für das französische [y] ohnehin fehlt. Amerikaner sprechen folglich von [ˈmædəm tuˈsoʊz]; für Briten heißt die Ausstellung meist [ˈmædəm təˈsɔːdz]. Unbeachtet bleibt, dass das geschriebene ›d‹ ursprünglich keine phonetische Entsprechung hatte.
Tour de France 2008 [Fester Link zum Beitrag]
Vom heutigen 5. bis zum 27. Juli 2008 findet die 95. Tour de France statt. Hier die korrekte Aussprache der Start- und Zielorte der 21 Etappen – garantiert dopingfrei:
Samstag, 5. Juli (197,5 km) Brest / Finistère [bʀɛst] – Plumelec / Morbihan [plymˈlɛk] Sonntag, 6. Juli (164,5 km) Auray / Morbihan [ɔˈʀɛ] – Saint-Brieuc / Côtes d’Armor [sɛ̃bʀiˈø] Montag, 7. Juli (208 km) Saint-Malo / Ille-et-Vilaine [sɛ̃mɑˈlo] – Nantes / Loire-Atlantique [nɑ̃t] Dienstag, 8. Juli (29,5 km; EZF*) Cholet / Maine-et-Loire [ʃɔˈlɛ] – Cholet Mittwoch, 9. Juli (232 km) Cholet – Châteauroux / Indre [ʃɑtoˈʀu] Donnerstag, 10. Juli (195,5 km) Aigurande / Indre [ɛɡyˈʀɑ̃d] – Super Besse / Puy-de-Dôme [syˌpɛʀˈbɛs] Freitag, 11. Juli (159 km) Brioude / Haute-Loire [bʀiˈud] – Aurillac / Cantal [ɔʀiˈjak] Samstag, 12. Juli (172,5 km) Figeac / Lot [fiˈʒak] – Toulouse / Haute-Garonne [tuˈluz] Sonntag, 13. Juli (224 km) Toulouse – Bagnères-de-Bigorre / Hautes-Pyrénées [baˈɲɛʀ dəbiˈɡɔʀ] Montag, 14. Juli (156 km) Pau / Pyrénées-Atlantiques [po] – Hautacam / Hautes-Pyrénées [otaˈkam] Dienstag, 15. Juli Erster Ruhetag Mittwoch, 16. Juli (167,5 km) Lannemezan / Hautes-Pyrénées [lanməˈzɑ̃] – Foix / Ariège [fwa] Donnerstag, 17. Juli (168,5 km) Lavelanet / Ariège [lavlaˈnɛ] – Narbonne / Aude [naʀˈbɔn] Freitag, 18. Juli (182 km) Narbonne – Nîmes / Gard [nim] Samstag, 19. Juli (194,5 km) Nîmes – Digne-les-Bains / Alpes-de-Haute-Provence [diɲleˈbɛ̃] Sonntag, 20. Juli (183 km) Embrun / Hautes-Alpes [ɑ̃ˈbʀœ̃] – Prato Nevoso / Cuneo (I) [ˈpraːto neˈvoːso] Montag, 21. Juli Zweiter Ruhetag Dienstag, 22. Juli (157 km) Cuneo / Cuneo (I) [ˈkuːneo] – Jausiers / Alpes-de-Haute-Provence [ʒoˈzje] Mittwoch, 23. Juli (210,5 km) Embrun – L’Alpe d’Huez / Isère [lalpˈdɥɛz] Donnerstag, 24. Juli (196,5 km) Le Bourg-d’Oisans / Isère [ləˈbuʀ dwaˈzɑ̃] – Saint-Étienne / Loire [sɛ̃teˈtjɛn] Freitag, 25. Juli (165,5 km) Roanne / Loire [ʀwan] – Montluçon / Allier [mɔ̃lyˈsɔ̃] Samstag, 26. Juli (53 km; EZF*) Cérilly / Allier [seʀiˈji] – Saint-Amand-Montrond / Cher [sɛ̃taˈmɑ̃ mɔ̃ˈʀɔ̃] Sonntag, 27. Juli (143 km) Étampes [eˈtɑ̃p] – Paris, Champs-Élysées [paˈʀi | ʃɑ̃zeliˈze] (* Einzelzeitfahren) Anmerkungen: Von den meisten Sprechern in Frankreich wird [ɑ] nicht (mehr) von [a] unterschieden; dann ist Letzteres dort einzusetzen, wo oben – ohnehin nur in zwei Transkriptionen – Ersteres auftaucht. Die Wörter patte [pat] und pâte [pɑt] sind für diese Sprecher keine Minimalpaare, sondern Homophone – sofern der Zusammenfall der Phoneme nicht, zumindest in kritischen Kontexten, kompensiert wird durch eine Längung des [a], wo es [ɑ] ersetzt. Das Gleiche gilt für [ɛ̃], das die Mehrzahl der Franzosen statt [œ̃] spricht. Neben [ʀ] ist [ʁ] eine weitverbreitete Realisierung des Phonems /r/. Dienstag, 24. Juni 2008
Wörter-[buːx] IV [Fester Link zum Beitrag]
In den letzten Wochen gehört und gewundert:
Anmerkung zu Ayrton Senna: Die Vokalreduktion des brasilianischen Portugiesisch unterscheidet sich hörbar von der, die Sprecher der europäischen Varietät der Sprache produzieren. So wird ein silbenfinales /a/ von den meisten brasilianischen Sprechern weniger stark ›reduziert‹, das heißt: zentralisiert, als von europäischen. Beispielsweise lautet ›vaca‹ (dt. ›Kuh‹) in Portugal [ˈvakɐ]; für Brasilien wäre [ˈvaka̽] als engere Transkription denkbar, wobei das Diakritikum anzeigt, dass der Vokal zur Mitte hin zentralisiert wird, aber seine ursprüngliche Qualität erkennbar bleibt. Zur Vereinfachung schreibe ich oben [a]. Sonntag, 25. Mai 2008
Wörter-[buːx] III [Fester Link zum Beitrag]
Mittwoch, 14. Mai 2008
Zwei Akzente [Fester Link zum Beitrag]
Beim Googlen bin ich auf eine CD-Besprechung von vor drei Jahren gestoßen. Darin wird überrascht angemerkt, dass die irische Musikerin Róisín Murphy »auf dem Cover ihren Vornamen mit zwei Accent aigu* versieht […] – wie auch immer sich das auf die Aussprache auswirken mag.« Da Frau Murphy englische Muttersprachlerin ist: zunächst einmal gar nicht. Wie hier bereits notiert, gebraucht sie selbst die Aussprache [ɹʌˈʃiːn ˈmɝːfi], und würde das vermutlich auch tun, wenn die zwei Akzente nicht da wären. Im Irischen sieht es anders aus: Róisín lautet hier [ˈɾˠoːʃiːnʲ]. Fehlte der Akzent auf dem ›o‹, wäre der erste Vokal ein [ɔ], wie zum Beispiel im Infinitiv des Verbs ›clois‹ (dt. ›hören‹) [kɫ̪ɔʃ]. In anderen Umgebungen kann die gleiche Buchstabenfolge andere phonetische Werte annehmen: So spricht man das Wort ›coill‹ (dt. ›Wald‹) als [kəilʲ], ›droim‹ (dt. ›Rücken‹) als [d̪ˠɾˠiːmʲ] und ›troid‹ (dt. ›Kampf‹) als [t̪ˠɾˠɛdʲ]. Und in ›coirnéal‹ (dt. ›Ecke‹), einem wohl dem Englischen entlehnten Begriff, findet man die phonetische Qualität aus dem Vornamen wieder: Das Wort spricht sich [ˈkoːɾˠnʲeɫ̪]. Auch der Akzent auf dem ›i‹ hat mehr als eine schmückende Funktion, wenngleich er die Aussprache auf weniger drastische Weise verändert: Im Wort ›inní‹ (dt. ›Eingeweide‹) sind beide Laute zu hören; man spricht es [ˈɪnʲiː]. Im Irischen unterscheidet sich ›nn‹ phonetisch nicht vom einzelnen Vorkommen des Buchstaben; es gibt – auch bei anderen Konsonanten – keine Längung. Die entscheidende Differenzierung, wie sie in den Transkriptionen zu sehen ist, trennt Konsonanten nach ihrer graphemischen Umgebung: Ist der nächste geschriebene Vokal ein ›a‹, ›o‹ oder ›u‹, ist der Konsonant ›broad‹, also – grob gesagt – velarisiert oder jedenfalls nicht patalisiert. Die palatalisierten Konsonanten, ›slender‹ genannt, treten in der Umgebung der Vokalgrapheme ›e‹ und ›i‹ auf. Ein Beispiel: Der Buchstabe ›g‹ vor ›a‹, wie in ›gaineamh‹ (dt. ›Sand‹), wird nicht palatalisiert, das Wort lautet [ˈɡanʲau]; vor ›e‹ verändert sich die Aussprache von ›g‹, wie in ›gearr‹ (dt. ›kurz‹) zu [ɟaːɾˠ]. Wer zum ersten Mal Sprecher des Irischen hört, mag die Opposition velarisiert – palatalisiert spontan in Frage stellen: In dem Fast-Minimalpaar ›bád‹ (dt. ›das Boot‹) [bˠad̪ˠ] vs. ›báid‹ (dt. ›des Bootes‹) [bˠaːdʲ] etwa klingt das palatalisierte ›d‹ wie eine alveolo-palatale Affrikate; auch das stimmlose Gegenstück [tʲ] sowie [c] und [ɟ] könnten ›affrikatisiert‹ werden.
*Beckmesser-Fußnote: ›Zwei Accents aigus‹ bzw. ›zwei Akute‹ ist wohl gemeint. Sonntag, 4. Mai 2008
Korrekt archaisieren [Fester Link zum Beitrag]
Laura Marling, eine junge englische Songwriterin, hat vor einigen Wochen ein Album mit dem Titel Alas, I Cannot Swim veröffentlicht. Die Platte wurde im deutschen Radio besprochen, und schon klang ›alas‹ ähnlich wie der Frauenname ›Alice‹. In Wörterbüchern wird ›alas‹, was so viel wie ›leider‹ bedeutet, als altertümelnder oder literarisierender Begriff geführt. Es gibt eine Reihe weiterer englischer Wörter, die gerade wegen ihres heute archaischen Beiklangs noch gerne in Texte eingeflochten werden. Das ist als Stilmittel natürlich erlaubt – und noch eleganter, wenn man beim Vortrag die korrekte Aussprache parat hat. Da wären etwa die mit ›alas‹ [əˈlæs] gleichbedeutenden ›alack‹ [əˈlæk] und ›lackaday‹ [ˈlækədeɪ]. Für die Interjektion ›Zounds!‹ [zaʊndz] gibt es die schöne deutsche Übersetzung ›Sapperlot!‹, das heute höchstens von Sprechern fortgeschritteneren Alters, vulgo: Oma und Opa, zu hören ist. Das Original ist bei Shakespeare, je nach Stück, im halben Dutzend zu bekommen. Auch von den Temporal- und Lokaladverbien haben sich einige Vertreter ins Englische des 21. Jahrhunderts gerettet: Die altmodische Variante von ›between‹ lautet ›betwixt‹ [bɪˈtwɪkst], für ›kurz darauf‹ hieß es – im Rime of the Ancient Mariner (Ende 18. Jh.) beispielsweise – ›eftsoons‹ [ɛftˈsuːnz], ›thenceforth‹ [ˌðɛntsˈfɔːθ] wurde von Begriffen wie ›thereafter‹ verdrängt, statt ›ofttimes‹ [ˈɒfttaɪmz] sagt man heute wohl eher ›frequently‹. Noch ein paar nette Vokabeln: Mit ›certes‹ [ˈsɜːtɪz] lässt sich trefflich latinisieren, ›maugre‹ [ˈmɔːɡə] deutet Französischkenntnisse an, bei ›forsooth‹ [fəˈsuːθ] fühlt man sich gleich zu Pepys & Co. zurückversetzt. Als phonetische Stolperfalle von diesen Wörtern wohl am besten geeignet sind folgende zwei: Mit ›yclept‹ [ɪˈklɛpt], was so viel bedeutet wie ›genannt‹, spielt James Joyce im ›Oxen of the Sun‹-Kapitel seines ›Ulysses‹, das die sprachliche Entwicklung des Englischen bis ins Dublin des frühen 20. Jahrhunderts nachvollzieht. Bei ›albeit‹ habe ich auch von englischen Muttersprachlern Lautungen gehört, die auf die falsche Segmentierung ›al-beit‹ hindeuten. Richtig ist ›al-be-it‹, wörtlich ›auch wenn es so sei‹, was man dreisilbig [ɔːlˈbiːɪt] spricht, und nicht zweisilbig mit einem Diphthong. Für gebildete Englischsprecher theoretisch alles kein Problem, aber wenn man die heiteren Kasuswirren liest, die mit ›thou‹ [ðaʊ] (›du‹), ›thee‹ [ðiː] (›dich/dir‹) und ›thy‹ [ðaɪ] (›dein‹) produziert werden, möchte man nach der Aussprache gar nicht fragen. Man möchte vielmehr ergänzen: Die alten Präsensformen der Verben ›have‹, ›say‹ und ›do‹ in der 2. und 3. Person Singular lauten in ihren Vollformen ›(thou) hast‹ [hæst], aber ›(he) hath‹ [hæθ], ›(thou) sayest‹ [ˈseɪɪst], aber ›(he) saith‹ [sɛθ], ›(thou) doest‹ [ˈduːɪst], aber ›(he) doeth‹ [ˈduːɪθ]. Ist ›do‹ ein Hilfsverb, schreibt und sagt man ›(thou) dost‹ [dʌst] und ›(he) doth‹ [dʌθ]. *›I hast‹ und *›thou doeth‹? Nay, I prithee! [neɪ | aɪ ˈpɹɪði]
Dienstag, 11. März 2008
Wörter-[buːx] II [Fester Link zum Beitrag]
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