Mittwoch, 14. Mai 2008
Zwei Akzente [Fester Link zum Beitrag]
Beim Googlen bin ich auf eine CD-Besprechung von vor drei Jahren gestoßen. Darin wird überrascht angemerkt, dass die irische Musikerin Róisín Murphy »auf dem Cover ihren Vornamen mit zwei Accent aigu* versieht […] – wie auch immer sich das auf die Aussprache auswirken mag.« Da Frau Murphy englische Muttersprachlerin ist: zunächst einmal gar nicht. Wie hier bereits notiert, gebraucht sie selbst die Aussprache [ɹʌˈʃiːn ˈmɝːfi], und würde das vermutlich auch tun, wenn die zwei Akzente nicht da wären. Im Irischen sieht es anders aus: Róisín lautet hier [ˈɾˠoːʃiːnʲ]. Fehlte der Akzent auf dem ›o‹, wäre der erste Vokal ein [ɔ], wie zum Beispiel im Infinitiv des Verbs ›clois‹ (dt. ›hören‹) [kɫ̪ɔʃ]. In anderen Umgebungen kann die gleiche Buchstabenfolge andere phonetische Werte annehmen: So spricht man das Wort ›coill‹ (dt. ›Wald‹) als [kəilʲ], ›droim‹ (dt. ›Rücken‹) als [d̪ˠɾˠiːmʲ] und ›troid‹ (dt. ›Kampf‹) als [t̪ˠɾˠɛdʲ]. Und in ›coirnéal‹ (dt. ›Ecke‹), einem wohl dem Englischen entlehnten Begriff, findet man die phonetische Qualität aus dem Vornamen wieder: Das Wort spricht sich [ˈkoːɾˠnʲeɫ̪]. Auch der Akzent auf dem ›i‹ hat mehr als eine schmückende Funktion, wenngleich er die Aussprache auf weniger drastische Weise verändert: Im Wort ›inní‹ (dt. ›Eingeweide‹) sind beide Laute zu hören; man spricht es [ˈɪnʲiː]. Im Irischen unterscheidet sich ›nn‹ phonetisch nicht vom einzelnen Vorkommen des Buchstaben; es gibt – auch bei anderen Konsonanten – keine Längung. Die entscheidende Differenzierung, wie sie in den Transkriptionen zu sehen ist, trennt Konsonanten nach ihrer graphemischen Umgebung: Ist der nächste geschriebene Vokal ein ›a‹, ›o‹ oder ›u‹, ist der Konsonant ›broad‹, also – grob gesagt – velarisiert oder jedenfalls nicht patalisiert. Die palatalisierten Konsonanten, ›slender‹ genannt, treten in der Umgebung der Vokalgrapheme ›e‹ und ›i‹ auf. Ein Beispiel: Der Buchstabe ›g‹ vor ›a‹, wie in ›gaineamh‹ (dt. ›Sand‹), wird nicht palatalisiert, das Wort lautet [ˈɡanʲau]; vor ›e‹ verändert sich die Aussprache von ›g‹, wie in ›gearr‹ (dt. ›kurz‹) zu [ɟaːɾˠ]. Wer zum ersten Mal Sprecher des Irischen hört, mag die Opposition velarisiert – palatalisiert spontan in Frage stellen: In dem Fast-Minimalpaar ›bád‹ (dt. ›das Boot‹) [bˠad̪ˠ] vs. ›báid‹ (dt. ›des Bootes‹) [bˠaːdʲ] etwa klingt das palatalisierte ›d‹ wie eine alveolo-palatale Affrikate; auch das stimmlose Gegenstück [tʲ] sowie [c] und [ɟ] könnten ›affrikatisiert‹ werden.
*Beckmesser-Fußnote: ›Zwei Accents aigus‹ bzw. ›zwei Akute‹ ist wohl gemeint. |
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