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DAS PHONETIK-BLOG [foˈneːtɪkˌblɔk]
Freitag, 20. Juli 2007
Rosamunde Pilcher [Fester Link zum Beitrag]
Ich habe zufällig gelesen, dass in einem anderen Blog (Link) vor einer Weile hierher verwiesen wurde. Gerne erfülle ich den Wunsch, die Aussprache von Rosamunde Pilchers Namen zu kommentieren. Ich gehe davon aus, dass die alte Dame folgende Lautung selbst verwendet: [ˈɹɒzəmənd ˈpɪltʃə]. Ebenfalls möglich wäre im Englischen [ˈɹəʊzəmənd] für den Vornamen. Im deutschsprachigen Raum hingegen, wo die Autorin sehr populär ist, wird ihr Name fast immer [ˈʁoːzamʊndə ˈpɪlçɐ] gesprochen. Warum? Dies dürfte unter anderem mit dem Publikum zusammenhängen, das Pilcher bedient. Das Genre des trivialen Liebes- und Familienromans, dem ihre Bücher zuzurechnen sind, spricht mehrheitlich alte und relativ ungebildete Leser an, die mangels Fremdsprachenkenntnissen die Übersetzungen der Romane lesen. Da der Name durchaus auf eine deutsche Autorin hindeuten könnte, wird – behaupte ich – von vornherein nicht wahrgenommen, dass es sich um eine englische Schriftstellerin handelt. In den bildungsbürgerlichen Kreisen, durch deren linguistisches Interesse sich in der Regel die korrekte Lautung fremdsprachlicher Namen verbreitet, ist es verpönt, Pilcher-Bücher oder deren Verfilmungen zu kennen. Der Standard für die Aussprache, wenngleich wohl aus Unkenntnis oder Desinteresse entstanden, wurde also offenbar von denjenigen gesetzt, die Pilchers Werke tatsächlich konsumieren, und von vielen anderen übernommen.
Halldór Kiljan Laxness [Fester Link zum Beitrag]
Vor isländischer Phonetik kapitulieren die meisten Mitteleuropäer – ohne Grund. Die Laut-Buchstaben-Zuordnung ist relativ regelmäßig, die Betonung und die Vokallänge sind vorhersagbar. Der Name des Literaturnobelpreisträgers von 1955 beispielsweise spricht sich [ˈhaltou̯r ˈcʰɪljan ˈlaxsnɛs]. Im Isländischen gibt es keine Paare aus stimmhaften und -losen, sondern aus aspirierten und unaspirierten Plosiven. Sämtliche Nasale sowie [r], das als Trill gesprochen wird, und [l] haben stimmlose Allophone im entsprechenden Kontext. Von den sechs Buchstaben, die einen Akutakzent tragen können, stehen drei für einen Diphthong: á für [au̯], ó – wie gesehen – für [ou̯], ú für [ui̯]. Letztere phonetische Qualität nimmt ú allerdings nur vor gi bzw. gj an; ansonsten spricht man [u]. Der Diphthong [au̯] kann vor ng oder nk von einem a ohne Akzent wiedergegeben werden. Das é ist mit der Aussprache [jɛ] verknüpft, í und ý stehen beide für [i]. Der Titel von Laxness’ Romantrilogie Íslandsklukkan (1943–1946; dt. Islandglocke) spricht sich folglich [ˈiːslan̥tsˌklʏhkan]. Der Doppelkonsonant kk wird nicht als Geminate, sondern – wie pp und tt – präaspiriert gesprochen.
Dienstag, 17. Juli 2007
Andrei Lugowoi [Fester Link zum Beitrag]
Der russische Geschäftsmann und Ex-KGB-Mitarbeiter ist verwickelt in die Affäre um die Ermordung von Александр Вальтерович Литвиненко (Transliteration: Aleksandr Val’terovič Litvinenko). Der Name des Getöteten spricht sich [ʌlʲɪˈksandr vʌlʲˈtʲe̞rəvʲɪtʲɕ lʲɪtvʲiˈnʲe̞nkə]. Lugowoi schreibt man mit kyrillischen Zeichen Андрей Константинович Луговой (Transliteration: Andrej Konstantinovič Lugovoj). Anders als in deutschen Medien bisweilen zu hören, betont man seinen Namen nicht auf der ersten Silbe. Die korrekte russische Lautung ist [ʌnˈdrʲe̞j kənstʌnˈtʲinəvʲɪtʲɕ luɡʌˈvo̞j].
Brunsbüttel und Krümmel [Fester Link zum Beitrag]
Die Namen der beiden Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein sind identisch mit denen der Orte, in denen sie stehen. Die Stadt Brunsbüttel liegt im Westen des Bundeslandes. Man spricht den Ort wie das AKW [bʁʊnsˈbʏtl̩] – nicht etwa, wie häufig zu hören, mit langem Vokal in der ersten Silbe. Eine Betonung auf dieser Silbe ist allerdings möglich. Das Kernkraftwerk Krümmel liegt in einem Ortsteil von Geesthacht bei Hamburg. Die korrekte Lautung ist [ˈkʁʏml̩] – anders als die eines Brotbrockens (Krümel), der sich mit langem Vokal spricht.
Montag, 16. Juli 2007
Euripides [Fester Link zum Beitrag]
Sei es Euripides, sei es Sappho, sei es Aristophanes: Die für das Deutsche konventionalisierte Betonung keiner dieser Autornamen deckt sich mit der des Griechischen. So schreibt man den Autor zweier der frühesten Werke der Weltliteratur Ὅμηρος (Hómeros), was man im attischen Dialekt des Altgriechischen offenbar [hómɛːros] sprach. Die Betonung, die damals primär durch Pitch (Tonhöhe) realisiert wurde, kann eindeutig auf der ersten Silbe lokalisiert werden. Im neugriechischen [ˈo̞miɾo̞s] ist die Initialbetonung erhalten. Im Deutschen spricht man hingegen [hoˈmeːɐ̯]. Kaum überraschend, dass auch die Titel von Homers Hauptwerken – Ἰλιάς (Iliás) und Ὀδύσσεια (Odýsseia) – anders als im Deutschen betont wurden. Das gleiche Bild bei Σαπφώ (Sapphó), deren Name einst [sapːʰɔ́ː] lautete und heute [sapˈfo̞] gesprochen wird. Auf Deutsch heißt es [ˈzap͜fo]. Αἰσχύλος (Aischýlos) – klassisch: [ai̯skʰýlos], modern: [e̞sˈçilo̞s] – spricht der deutsche Bildungsbürger [ˈai̯sçylɔs]. Und bei Euripides, dem Aufhänger dieses Beitrags, der mit Überzeugung als [ɔɪ̯ˈriːpidɛs] aus Altgriechischstunden schallt? Dasselbe Lied. Die korrekte Aussprache von Εὐριπίδης (Euripídes) im Altgriechischen war wohl [eu̯ripídɛːs], während lebende Griechen von [e̞vriˈpiðis] sprechen. Eine lange Reihe weiterer Fälle, ebenso wie die Aufzählung durchaus vorhandener Gegenbeispiele, erspare ich den Lesern und mir.
Die interessantere Frage ist doch: Warum? Ich kann darauf leider keine belegbare Antwort geben. Ich vermute, dass die Betonung der Namen – unter Einfluss des Lateinischen – von Altphilologen der jeweiligen Zielsprache nach »Gefühl« neu bestimmt wurde. Übereinstimmungen mit dem Griechischen – auch in anderen Sprachen eher selten – scheinen zufällig zu sein. Überprüfen könnte man diese Behauptung durch einen Vergleich der traditionellen deutschen Betonung der Namen mit deren intuitiver Aussprache durch deutsche Muttersprachler, denen die griechischen Autoren unbekannt sind. Osama bin Laden [Fester Link zum Beitrag]
Transliterationen und Transkriptionen aus dem Arabischen werden dadurch verkompliziert, dass die Sprache von rund 200 Millionen Menschen gesprochen wird, die über mehr als 25 Länder verteilt sind. Dadurch existiert eine Vielzahl von Dialekten, deren Sprecher sich teilweise nicht verständigen können. Gebildete Araber greifen in solchen Fällen auf das sogenannte »Hocharabisch« zurück, eine Standardvarietät auf Basis des klassischen Arabisch, die aber von fast der Hälfte der Muttersprachler eines arabischen Dialekts nicht ausreichend beherrscht wird. Auch bei der Aussprache des Namens des Most Wanted Terrorist (FBI) spielen diese Faktoren eine Rolle. Da Patronymika im arabischen Raum oft mehrere Generationen zurückreichen, ist der volle Name recht lang. Er schreibt sich أسامة بن محمد بن عوض بن لادن. Mit dem lateinischen Alphabet wird dies meist als Usāma bin Muhammad bin Awad bin Lādin wiedergegeben. Bevor ich zu weiteren möglichen Schreibungen komme, sei zunächst die Standardaussprache angegeben, die [ʔʊˈsæːmɐ bɪn mʊˈħamːad bɪn ˈʕ̙ɑwɑd̙ˤ bɪn ˈlæːdɪn] lautet. Interessant ist die phonetische Variabilität des Phonems /a/, das am Wortende mit dem Lautwert [ɐ] und im Umfeld von Konsonanten, die man mit zurückverlagerter Zungenwurzel artikuliert, zum Beispiel mit [ɑ] korrespondiert. Innerhalb einer Wortfolge, zumal eines Namens, ist die Aussprache des Wortes für Sohn, dessen Zitierform ابن geschrieben wird, tatsächlich [bɪn]; daran orientieren sich die meisten Transkriptionen zu Recht. Warum aber Osama statt Usama? Vor allem über englischsprachige Medien dürfte sich diese Schreibweise verbreitet haben: Gegen U sprach, dass dadurch mutmaßlich [ju] als falschem Anlaut Vorschub geleistet worden wäre. Auch für das Deutsche, bei dem diese Gefahr nicht besteht, etablierte sich Osama bin Laden – verstärkt nach dem 11. September 2001, als man das Publikum offenbar nicht durch Privatschreibweisen verwirren wollte.
Sonntag, 15. Juli 2007
Beelzebub [Fester Link zum Beitrag]
Ich bin sicher, dass viele der Überzeugung sind, dass dieses Wort deutscher Herkunft ist, nährt doch die regelmäßige Aussprache [ˈbeːlt͜səˌbuːp] keine Zweifel an dieser Theorie. Der erste Bestandteil könnte von einem archaischen Verb (*beelzen) stammen, der zweite kennzeichnet den Teufel – auch wenn die Vorstellung etwas merkwürdig ist – als Bub, als Jungen. Doch: Weit gefehlt! Der Begriff Beelzebub für den Teufel wurde aus dem Hebräischen übernommen, wo man – inklusive Nikkud – בַעַל זְבוּב (Ba’al Zevuv) schreibt und [ˈbɐ̞ʔɐ̞l zəˈvuv] spricht. Bei diesem Ausdruck, meist als »Herr der Fliegen« (siehe William Golding) übersetzt, handelt es sich um eine Verballhornung von בַעַל זְבוּל (Ba’al Zebul), im Alten Testament der Name des Gottes von Ekron, das »erhabener Herr« bedeutet. Auch in einigen anderen Sprachen außer dem Deutschen ist der Begriff bekannt: Im Englischen schreibt man ihn wie im Deutschen; die Lautung ist jedoch [biˈɛlzəˌbʌb], seltener [ˈbiːlzəˌbʌb], mit [bʊb] als Alternative für die letzte Silbe. Der französische Belzébuth spricht sich [bɛlzeˈbyt], bisweilen ohne [t] im Auslaut. In Spanien schreibt man Belcebú ; die korrekte Aussprache auf der iberischen Halbinsel ist [belθeˈβu]. Sogar nach Japan hat es der Beelzebub geschafft, und zwar als ベルゼブブ (Beruzebubu), den man [beɺ̠ɯ̞̈zebɯ̞̈bɯ̞̈] spricht. Im Deutschen übrigens ist eine zweite Aussprache möglich, die allerdings wenig verbreitet ist, nämlich [beˈɛlt͜səˌbuːp].
Mittwoch, 11. Juli 2007
Libyen [Fester Link zum Beitrag]
Der Name dieses Landes ist ein altes phonetisches Thema, das mit hübscher Regelmäßigkeit wiederbelebt wird – so dieser Tage, da das nordafrikanische Land in den Schlagzeilen ist. Die meisten Sprecher quält hörbar das y, das sich an einer für Deutsche ungewöhnlichen Stelle befindet und mit dem Laut [y] assoziiert wird. Wohl aus Gründen sprachlicher Ökonomie wird dieser Laut in der Praxis an eine angenehmere Stelle verlegt und das Land [ˈlyːbi̯ən] gesprochen. Von der präskriptiven Seite, dem Aussprache-DUDEN, ist diese phonetische Metathese nicht gedeckt: Dort wird die Lautung [ˈliːby̑ən] verlangt. Ein Blick ins Arabische zeigt, dass tatsächlich die Graphie den Laut im Deutschen an diese Position gebracht hat; vor Ort schreibt man ليبيا und spricht [ˈliːbɪjaː]. Das finale [a] kann man auch [æ] transkribieren; die Länge des letzten Vokals steht nur der Vollständigkeit halber, da eine quantitative Distinktion im Auslaut offener Silben entfällt. Die ARD hat für die Aussprache des deutschen Exonyms eine praktikable Lösung gefunden, die besagte Laut-Buchstaben-Zuordnung aufbricht: Sie empfiehlt die Aussprache [ˈliːbi̯ən], die vor allem in der tagesschau inzwischen fast ausschließlich zu hören ist. Im Übrigen steht diese phonetische Realisierung nicht alleine da: Für das Wort System zum Beispiel, das im DUDEN als [zʏsˈteːm] transkribiert wird, herrscht längst die Lautung [zɪsˈteːm] vor; Fälle wie die Vorsilbe poly verhalten sich analog.
Nachtrag 11/2011: Die Anlässe, über Libyen zu sprechen, sind nicht weniger geworden; die Fälle, in denen man [ˈlyːbi̯ən] hört, sind es auch nicht. Diese Lautung wählt, wenn ein Sprecher und zwei Korrespondenten den Ländernamen aussprechen, nach meinem Eindruck durchschnittlich mindestens einer von ihnen – auch noch in Sendungen von Rundfunk- und Fernsehanstalten der ARD, wo man immerhin Zugriff auf eine Datenbank mit Ausspracheempfehlungen hat. Jedes eher deskriptiv als präskriptiv arbeitende Aussprachewörterbuch müsste [ˈlyːbi̯ən] als entsprechend kommentierte Nebenvariante in seine nächste Auflage aufnehmen; vielleicht hätte das sogar längst geschehen müssen, denn statt der Frequenz der metathetischen Aussprache scheint sich vor allem die Frequenz des Wortes und damit die Wahrnehmbarkeit der ›Falschaussprache‹ in letzter Zeit geändert zu haben. Das gilt gleichermaßen für die Ableitungen ›Libyer‹ – normativ: [ˈliːby̑ɐ], tatsächlich oft: [ˈlyːbi̯ɐ] – und ›libysch‹ – normativ: [ˈliːbʏʃ], tatsächlich oft: [ˈlyːbɪʃ] –, wobei die DUDEN-Form des Adjektivs so fremd klingt, als hätte ich sie noch nie gehört. Die ganze Wortfamilie mit ihrem unsilbischen [y] und dem unbetonten [ʏʃ] ist ein Kuriosum, bei dem es mich nicht wundernimmt, dass es früher oder später auf sanfte – das wäre [ˈliːbi̯ən] – oder unsanfte Weise – das wäre [ˈlyːbi̯ən] – an gängigere Lautmuster angepasst wird. Die behäbigere Orthografie dürfte diesen phonetischen Entwicklungen noch eine Weile hinterherhinken. Thor Hushovd [Fester Link zum Beitrag]
Der Mann, der heute die vierte Etappe der 94. Tour de France gewonnen hat, ist Norweger. Er hat einen dieser Namen, die aussehen, als spreche man sie wie im Deutschen – und dann stimmt es doch wieder nicht! Die korrekte Lautung ist [tuːɾ ˈhʉːsˌhɔvd]. Interessant, aber für das Norwegische nicht ungewöhnlich ist die Aussprache von o als [u] sowie von u als [ʉ]. Deutsche beispielsweise hören letzteren Laut oft als [y]; tatsächlich wird er ebenfalls mit gerundeten Lippen, aber zentraler gesprochen. Die Etappe, auf der Hushovd siegte, ging übrigens von Villers-Cotterêts nach Joigny. Franzosen sprechen den ersten der beiden Orte [viˌlɛʀkɔˈtʀɛ], den zweiten [ʒwaˈɲi]. Morgen geht es von Chablis [ʃaˈbli] nach Autun [oˈtɛ̃]. Vor einigen Jahren noch wäre der Name des morgigen Zielorts [oˈtœ̃] gesprochen worden und wird von zahlreichen Wörterbüchern weiterhin so transkribiert. In der Praxis ist der gerundete nasalierte Vokal mit seinem ungerundeten Gegenstück zusammengefallen.
Montag, 9. Juli 2007
Heavy-Metal-Umlaut [Fester Link zum Beitrag]
Die US-amerikanische Rockband Blue Öyster Cult war eine der ersten Formationen, die sich dieser Schreibweise bediente. Meistens in Kombination mit einer Frakturschrift sollte dem Bandnamen damit ein »germanischer« Touch verliehen werden. Die britischen Motörhead waren wahrscheinlich die nächsten, gefolgt von Hüsker Dü, Mötley Crüe und einigen anderen. Eine Weiterentwicklung stellt die Diärese in Queensrÿche dar, die man in dieser Verbindung im Französischen vermuten würde. Noch einen Schritt weiter ging die Filmband Spın̈al Tap, die dem i einen Punkt nahm und dem n dafür gleich zwei verpasste. Bleibt nur eine Frage offen: Wie spricht man die Buchstaben mit Trema aus – das ö vielleicht [ø], das ü etwa [y]? Ganz falsch. Die Antwort ist viel banaler: Man spricht die Bandnamen, als seien die Diakritika gar nicht da. Motörhead sind phonetisch folglich [ˈməʊtəˌhɛd], und die Amerikaner Mötley Crüe entpuppen sich lediglich als ein bunter Haufen (engl. motley crew) mit der gewöhnlichen Lautung [ˌmɑːtliˈkɹuː]. Selbst bei Queensrÿche ist die Aussprache [ˈkwiːnzˌɹaɪk] längst nicht so überraschend wie die Grafie. Schade eigentlich.
Rajasthan [Fester Link zum Beitrag]
Von den derzeitigen Überschwemmungen im Osten Indiens sind unter anderem Menschen im Bundesstaat Rajasthan betroffen. Herkunft dieser Transkription des Namens ist gewiss das Englische, dessen Sprecher es nicht als ungewöhnlich empfinden, j als [dʒ] zu sprechen. Kurz und eindeutig für die Devanāgarī-Schreibung राजस्थान wäre im Deutschen beispielsweise Radschastan – sei’s drum. Auf Hindi spricht man den Eigennamen [rɑːdʒɐst̪ʰɑːn]. Die Sprache besitzt für jeden aspirierten Plosiv ein unaspiriertes Gegenstück: Es gibt acht dieser Paare bzw. derer elf, wenn man die Affrikaten [t͜ʃ] und [d͜ʒ] sowie den retroflexen Flap [ɽ] hinzuzählt. [dʒ] bedeutet in einer Hindi-Transkription also explizit [dʒ⁼], um das hochgestellte Gleichheitszeichen als inoffizielles IPA-Symbol für fehlende Aspiration zu verwenden. Die Hauptstadt Rajasthans ist übrigens Jaipur, in Devanāgarī जयपुर. Man transkribiert die zugehörige Hindi-Aussprache [dʒɐjpʊɾ] und spricht sie, wie die vorangegangenen Ausführungen nahelegen, ohne einen einzigen aspirierten Laut.
Freitag, 6. Juli 2007
Sotschi [Fester Link zum Beitrag]
Die russische Stadt Sotschi ist Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014. Kyrillisch schreibt man sie Сочи. Das Zeichen ч stellt eine Besonderheit dar, weil es für einen Laut steht, der stets palatalisiert – oder wie es im Volksmund häufig heißt: weich – gesprochen wird. Die korrekte Lautung der Stadt ist demnach: [ˈso̞tʲɕɪ]. Alternativ könnte man den Laut [tʲʃʲ] transkribieren, aber ich habe mich für die Variante mit den wenigsten Zeichen und Diakritika entschieden, die nichtsdestoweniger die Aussprache korrekt wiedergibt. Vielleicht genügte [tɕ], wenn man annimmt, dass bei einer korrekten Aussprache des zweiten Lautes durch antizipative Assimilation auch der erste am richtigen Platz artikuliert wird.
Donnerstag, 5. Juli 2007
Thames [Fester Link zum Beitrag]
Für Briten und die meisten anderen Muttersprachler des Englischen dürfte der Anfang meines Beitrags redundant sein. Zahlreiche Deutsche jedoch – ich schließe mich ausdrücklich ein – scheinen gerne zu vergessen, woran ich heute dezent erinnert wurde (danke, Beeke!): Die Themse spricht sich im Englischen nicht etwa mit einem Diphthong, sondern [tɛmz]. Damit es auch für Briten interessant wird, habe ich zwei Handvoll Exonyme des Flusses gesammelt. Beginnen wir in Deutschland: Dort nennt man ihn Themse, was man [ˈtɛmzə] spricht. Für Franzosen handelt es sich um la Tamise [taˈmiz]. In diesem Kontext wird [i] meist lang gesprochen; bedeutungsunterscheidend ist diese Quantität jedoch nicht. Für Italiener fließt durch London il Tamigi – beachte das Genus! – mit der Aussprache [taˈmiːdʒi]. Auch in Spanien ist dieser Strom männlich: El Támesis wird [ˈtamesis] gesprochen. Im Portugiesischen ist die Schreibweise Tâmisa (auch ohne Zirkumflex) verbreitet, was man in Europa [ˈtɐmizɐ] spricht. Bevor wir zu Sprachen mit anderen Schriftsystemen als dem lateinischen Alphabet kommen, sei auf die niederländische Theems [teːms] – auch mit dem Diphthong [eɪ] eng zu transkribieren –, die polnische Tamiza [taˈmiza] sowie die ungarische Temze [ˈt̪ɛmz̻ɛ] hingewiesen; [t] wird im Ungarischen dental, [z] laminal artikuliert. In Griechenland schreibt man Τάμεσης und spricht [ˈtame̞s̺is̺]; auch hier bemerkt der Kenner ein kleines Feuerwerk von Diakritika, die auf ein etwas stärker geöffnetes [e], das man genauso gut [ɛ̝] schreiben könnte, und eine apikale Aussprache von [s] hinweisen. Die kyrillische Schreibweise ist Темза, dessen Lautung [ˈtʲe̞mzə]. Japaner schreiben den Fluss テムズ und sprechen ihn [temɯzɯ]. Unsere kleine phonetische Schifffahrt endet im Osten, wo Chinesen 泰晤士河 (Pinyin: Tài Wù Shì Hé) schreiben und auf Mandarin [˥˩ tʰaɪ ˥˩ wu ˥˩ ʂɨ ˧˥ xɤ] sprechen. Ich hoffe, dass bei so vielen Sprachen niemand seekrank geworden ist.
Camille Saint-Saëns [Fester Link zum Beitrag]
Meist kann man sich auf Diakritika als Hinweis auf die korrekte Aussprache eines Wortes verlassen. Schließlich ist das eine ihrer wichtigsten Funktionen. Manchmal jedoch wird man an der Nase herumgeführt, wenn auch nicht aus bösem Willen. Das Trema in dem Namen des Komponisten und Musikers weist nur scheinbar auf das hin, was man im Französischen erwartet: eine getrennte Aussprache des e von dem vorangehenden Vokal. Tatsächlich spricht man den Namen [kaˈmij sɛ̃ˈsɑ̃s] – der Buchstabe mit der Diärese bleibt stumm. Dieselbe Aussprache gilt für den Namen der Schriftstellerin, die man in der Regel schlicht Madame de Staël nennt; er lautet [maˈdam dəˈstal]. Ein weiterer französischer Organist und Komponist, dessen Name die Intuition auch ohne Trema ins Stocken zu bringen in der Lage ist, heißt Olivier Messiaen. Die korrekte Lautung in diesem Fall ist [ɔliˈvje mɛˈsjɑ̃].
Smolensk [Fester Link zum Beitrag]
Als Ehrenrettung für Al Stewart, der an Jacqueline Bissets Namen gescheitert war, möchte ich seinen Titel Roads to Moscow (1974) anführen. Darin heißt es:
All summer they drove us back through the Ukraine Dienstag, 3. Juli 2007
Jacqueline Bisset [Fester Link zum Beitrag]
Der britische Singer/Songwriter Al Stewart nahm 1970 ein Stück mit dem Titel Clifton in the Rain auf, in dem die Schauspielerin angesprochen wird. Die Strophe mit den betreffenden Zeilen lautet:
Jacqueline Bisset Mittwoch, 27. Juni 2007
Salman Rushdie [Fester Link zum Beitrag]
Die korrekte Aussprache seines Namens ist trotz der jüngsten Kontroverse über seinen Ritterschlag vielen deutsch- und englischsprachigen Menschen unbekannt. Interessant sein könnte ein Blick auf die Schreibweise und zugehörige Aussprache des Namens in zwei Sprachen Indiens, wo Rushdie geboren ist: Auf Urdu schreibt man seinen Namen سَلمان رُشدی und spricht ihn [salmɑːn rʊʃdi]. In der Schreibweise, die hier angeführt ist, habe ich mittels eines Zabar im Vornamen sowie eines Pesch im Nachnamen zwei sonst nicht geschriebene Vokale angegeben. Ich füge keine Betonung hinzu, weil sie in dieser Sprache nicht distinktiv ist. Auf Hindi, geschrieben in Devanāgarī, sieht der Name wie folgt aus: सलमान रश्दी. Die Lautung ist, wie zu erwarten, ähnlich und kann ebenfalls ohne Betonungsmarkierung transkribiert werden: [sɐlmɑ̃ːn rɐʃd̪iː]. Die Nasalisierung im Vornamen ist rein allophonisch und tritt in Hindi stets auf, wenn ein Vokal vor oder hinter einem nasalen Konsonanten steht. Und was machen nun wir aus diesen phonetischen Erkenntnissen in Europa? Die bevorzugte Lautung des Autors im Englischen ist [sælˈmɑːn ˈɹʊʃdi] – ziemlich nah an den anderen beiden Aussprachen.
Everything But The … [Fester Link zum Beitrag]
Die englische Popband Everything But The Girl existiert seit 1982; ihren Namen bezieht sie von einem Schild in einem Möbelgeschäft in Hull, auf dem gestanden haben soll: “For your bedroom needs, we sell everything but the girl.” Die Aussprache des Bandnamens ist im Englischen demzufolge relativ banal: [ˈɛvɹiθɪŋ bət ðəˈɡɜːl]. Im Französischen kann man damit nett reimen, wie Marc Lavoine in seinem textlich nicht gerade der Hochliteratur zuzurechenden Titel Je me sens si seul (2005) zeigt:
Je me sens si seul Dienstag, 26. Juni 2007
Robert Zoellick [Fester Link zum Beitrag]
Gestern wurde Zoellick vom Exekutivrat der Weltbank einstimmig als Nachfolger Paul Wolfowitz’ im Amt des Präsidenten der Finanzinstitution vorgeschlagen. Die Aussprache seines Namens, vollständig: Robert Bruce Zoellick, ist bisher nicht zu allen deutschen Sprechern durchgedrungen. Sie lautet: [ˈɹɑːbɚt bɹuːs ˈzɛlɪk]. Im amerikanischen Englisch kann oe unter anderem für [oʊ] stehen (wie in goes), für [ʌ] (wie in does), für [iː] (wie in amoeba), aber auch für [uː] (wie in canoe) – oder eben für [ɛ] (wie in roentgen). Man muss sich die Aussprache von Zoellicks Namens also einfach merken, aber es lohnt sich: Er tritt am Sonntag eine fünfjährige Amtszeit an, in der sicher von ihm zu hören sein wird.
Montag, 25. Juni 2007
Double je [Fester Link zum Beitrag]
Ganz oben in den französischen Singlecharts steht derzeit das Lied eines Castingstars namens Christophe Willem. Wie man auf der offiziellen Website des Interpreten (Link) nachlesen kann, heißt der von ihm gesungene Titel Double je (dt. Doppeltes Ich). Über Suchmaschinen findet man jedoch zahlreiche Seiten, die den Titel als Double jeu führen. Warum? Die Wörterbuchtranskriptionen, die auf der Phonologie basieren, helfen leider nicht weiter: Je wird demnach [ʒə] ausgesprochen, jeu hingegen [ʒø] – zwei zweifellos unterschiedliche, nicht einmal so ähnliche Laute. Die Antwort auf die Frage, wie das Schwa im Französischen phonetisch realisiert wird, löst allerdings das Rätsel: Die enge Transkription [ə̹] zeigt, dass der Laut mit erheblich gerundeten Lippen gesprochen wird. Da [ø] die gerundete Aussprache von [e] ist, dessen zentralisierte Variante wiederum [ə] darstellt, ist es wenig verwunderlich, dass je und jeu im Französischen, zumal im Gesang, fast homophon sind. Aus diesem Grund wird in Lehrbüchern [ø] statt [ə] als Aussprache von E beim Buchstabieren empfohlen.
Sonntag, 24. Juni 2007
Charisma [Fester Link zum Beitrag]
Anhand dieses Wortes kann man erkennen, dass Präskription gerade im Bereich der Aussprache nur sehr bedingt funktioniert. Jeder weiß, dass von Nachschlagewerken eine gewisse Autorität verlangt wird, die nicht jeden Regelbruch des alltäglichen Sprachgebrauchs rechtfertigt. Die Aussprache von Charisma im Deutschen habe ich selten anders gehört als [ˈkaːrɪsma]. Die marginalen Varianten, die mir begegnet sind, bestehen in einer Verkürzung des ersten Vokals bzw. einer Betonung auf der zweiten Silbe. Dessen ungeachtet verlangen der Aussprache-DUDEN (5. Auflage, 2003 – hat sich da etwas geändert?) und das Deutsche Universalwörterbuch aus demselben Verlag unnachgiebig nach [ˈçaːrɪsma] – allenfalls, wie bekannt, mit Kurzvokal und Pänultimabetonung, alternativlos jedoch mit [ç]. Warum?
Der Begriff war schon im Altgriechischen bekannt, wo man ihn χάρισμα schrieb; er bezeichnete eine Gunst, die vonseiten der Götter gewährt werden konnte. Auch ohne mich allzu weit auf das verminte Feld akademischen Disputs über die Rekonstruktion der Phonetik toter Sprachen zu begeben, kann festgehalten werden, dass Chi im klassischen attischen Dialekt des Altgriechischen [kʰ] gesprochen wurde. 1:0 für die meisten Deutschen. Irgendwann muss sich die Aussprache zu [x] gewandelt haben, da dies den Lautwert des Buchstabens im Neugriechischen darstellt. Zwar spricht man Chi vor Vorderzungenvokalen als [ç], das der DUDEN favorisiert. Allerdings wird [a] im Neugriechischen als Hinterzungenvokal behandelt, sodass nur die Lautung [ˈχarisma] möglich ist. Insgesamt sehe ich weder sprachpraktische noch wissenschaftliche Gründe für die Aussprache [ˈçaːrɪsma]. Ebenfalls höchstens als Gegenargument taugen die geringe Zahl von Wörtern, die im Deutschen [ç] anlauten, sowie die Tendenz, diese wenigen Wörter tatsächlich mit [ʃ] zu sprechen. Kann das populärste deutsche Wörterbuch diese Fakten dauerhaft ignorieren? Es kann offenbar nicht. In der aktuellen Auflage des ersten DUDEN-Bandes Die deutsche Rechtschreibung steht die einzige verbreitete Lautung des Wortes Charisma immerhin als Variante, die wie folgt kommentiert wird: »Das Substantiv stammt aus dem Griechischen und wird, obwohl häufig mit [k-] ausgesprochen, wie das Herkunftswort mit Ch- geschrieben.« Langsam mahlen die Mühlen in Mannheim, aber sie mahlen – wie man sieht.Samstag, 23. Juni 2007
Im Deutschen herrscht regionale Variabilität, was die Aussprache des Vokals o in dem Wort Rost (in der Bedeutung Gitter) bzw. des Vokals ö in der Verbalableitung rösten angeht. Die im deutschen Sprachraum verbreitetsten Formen lauten [rɔst] bzw. [ˈrœstn̩], wobei [r] jeweils für alle freien Varianten des Phonems steht. Nördlich der Mosel und östlich des Rheins ist diese Lautung praktisch konkurrenzlos. In dem Bereich, den diese beiden Flüsse einschließen, in der gesamten Schweiz sowie im Raum Dresden in Sachsen herrschen hingegen die Aussprachen [roːst] bzw. [ˈrøːstn̩] vor. Die dortigen Dialekte bewahren lautliche Formen, die schon im Alt- und Mittelhochdeutschen belegt sind. Die Aussprache mit kurzem Vokal dürfte auf orthographische Analogie mit Wörtern wie Kost, Most, Post etc. zurückzuführen sein. Die lexikographische Präskription hat sich bei der Auswahl der Standardlautung weder auf die eine noch auf die andere Seite schlagen wollen: Während bei Rost die häufigere Aussprache [rɔst] festgelegt wurde, schreibt Siebs als reine und gemäßigte Hochlautung – so der Untertitel seines Hauptwerks – des Verbs rösten die seltenere Aussprache [ˈrøːstn̩] vor. Im DUDEN-Aussprachewörterbuch wird zumindest bei letzterem Wort die Lautung mit offenem Vokal als Variante angegeben.
Eine vergleichbare, jedoch nicht regionale derart scharf umgrenzte Verteilung zeigt sich im Übrigen bei Wörtern wie Obst oder Krebs. Diese waren in früheren Sprachstufen zweisilbig (ahd. obaʒ, mhd. obeʒ; ahd. crebiʒ, mhd. krebiʒ); die daraus resultierende Aussprache mit Langvokal bewahren die meisten deutschen Varietäten bis heute. Gerade in dem Bereich, der für Rost und rösten lange geschlossene Vokale hat, sowie in Österreich und Teilen Bayerns koexistieren jedoch die Lautungen [ɔpst] und [krɛps], die allerdings nicht als standardsprachlich angesehen und nicht im DUDEN geführt werden. Gilberto Gil [Fester Link zum Beitrag]
Am kommenden Dienstag hat der brasilianische Musiker und Politiker Geburtstag. Sein Name spricht sich [ʒiwˈbɛhtu ʒiw]. Im brasilianischen Portugiesisch wird postvokalisches l als labiovelarer Approximant [w], auch Halbvokal genannt, realisiert. Das Ergebnis dieses Prozesses als [u̯], mit dem Diakritikum für unsilbische Laute, zu transkribieren, ist in der Romanistik nicht verbreitet. Die zweite Silbe des Vornamens könnte auch [bɛɾ] lauten; allerdings tendieren Brasilianer vermehrt dazu, nicht nur das [ʁ] des europäischen Portugiesisch, sondern auch den Flap in der Silbencoda als [h] bzw. [χ] – je nach Region – auszusprechen. Vor allem im absoluten Auslaut kann dieser uvulare bzw. glottale Frikativ vollständig ausfallen. Dies verstärkt in den meisten südamerikanischen Varietäten des Portugiesischen die Tendenz dieser Sprache zu offenen Silben, die durch die Unzulässigkeit von /n/ und /m/ am Silbenende und die dadurch verursachte Nasalisierung der vorangehenden Vokale ohnehin gegeben ist.
Albatros [Fester Link zum Beitrag]
Es gibt ein Gedicht aus den Fleurs du Mal von Charles Baudelaire, das den Titel L’Albatros trägt. Der Dichter wird darin mit dem Vogel verglichen: Der eine wie der andere, der sich oberhalb des Irdischen fliegend souverän zu bewegen weiß, ist am Boden durch seine riesigen herabhängenden Schwingen gehbehindert und hässlich. Die erste Strophe des französischen Originaltexts lautet:
Souvent, pour s’amuser, les hommes d’équipage ... older stories
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