Mittwoch, 3. September 2008
Renault bringt ein neues SUV auf den Markt, habe ich in einer Anzeige gelesen. Und angefangen, darüber nachzudenken, wie man ›Koleos‹, den Namen des Gefährts, aussprechen soll. Eine Fernsehwerbung bestätigte meine Vermutung: [ʁəˈnoː koˈleːɔs] – in Deutschland. Nur: Wie heißt es in anderen Ländern? Im Französischen reiht sich das Kunstwort ein in die Gruppe der wenigen Begriffe, die auf [-os] enden; ich hatte auf deren kleine Zahl in einem Artikel vor über einem Jahr hingewiesen. Man sagt also [ʀə̹ˈno koleˈos]. Dieselbe Betonung wird im Spanischen angewandt, dort lautet die Produktbezeichnung [reˈnol koleˈos]. Ich kenne keine andere Sprache, in der im Markennamen ›Renault‹ die im französischen Original stummen Konsonanten nach dem [o] gesprochen werden. Dass diese Aussprache in Spanien nicht nur in der Werbung, sondern auch im Alltag verwendet wird, zeigt eine Suche nach ›Renol‹ auf spanischen Websites. Wer die Idee hatte, diese Lautung zu propagieren, vermag ich nicht zu sagen. Mit den phonologischen Erfordernissen des Spanischen kann man nicht argumentieren, da [no] eine akzeptable Silbe ist, wenn auch nicht in Verbindung mit der gegebenen Grafie. Die verbleibende Möglichkeit der Betonung, auf der ersten Silbe, wird in mindestens zwei europäischen Sprachen genutzt: In Italien spricht sich der Name des Wagens [reˈno ˈkɔːleɔs]; auf der britischen Insel heißt es [ˈɹɛnəʊ ˈkɒliɒs]. In den USA sagt man [ɹəˈnɑːlt] für den Hersteller – wenn man dort überhaupt auf die Idee kommt, über die Anschaffung eines solchen Autos zu diskutieren.



Samstag, 5. Juli 2008
Tour de France 2008 [Fester Link zum Beitrag]
Vom heutigen 5. bis zum 27. Juli 2008 findet die 95. Tour de France statt. Hier die korrekte Aussprache der Start- und Zielorte der 21 Etappen – garantiert dopingfrei:

Samstag, 5. Juli (197,5 km)
Brest  /  Finistère [bʀɛst] – Plumelec / Morbihan [plymˈlɛk]

Sonntag, 6. Juli (164,5 km)
Auray / Morbihan [ɔˈʀɛ] – Saint-Brieuc / Côtes d’Armor [sɛ̃bʀiˈø]

Montag, 7. Juli (208 km)
Saint-Malo / Ille-et-Vilaine [sɛ̃mɑˈlo] – Nantes / Loire-Atlantique [nɑ̃t]

Dienstag, 8. Juli (29,5 km; EZF*)
Cholet / Maine-et-Loire [ʃɔˈlɛ] – Cholet

Mittwoch, 9. Juli (232 km)
Cholet – Châteauroux / Indre [ʃɑtoˈʀu]

Donnerstag, 10. Juli (195,5 km)
Aigurande / Indre [ɛɡyˈʀɑ̃d] – Super Besse / Puy-de-Dôme [syˌpɛʀˈbɛs]

Freitag, 11. Juli (159 km)
Brioude / Haute-Loire [bʀiˈud] – Aurillac / Cantal [ɔʀiˈjak]

Samstag, 12. Juli (172,5 km)
Figeac / Lot [fiˈʒak] – Toulouse / Haute-Garonne [tuˈluz]

Sonntag, 13. Juli (224 km)
Toulouse – Bagnères-de-Bigorre / Hautes-Pyrénées [baˈɲɛʀ dəbiˈɡɔʀ]

Montag, 14. Juli (156 km)
Pau / Pyrénées-Atlantiques [po] – Hautacam / Hautes-Pyrénées [otaˈkam]

Dienstag, 15. Juli
Erster Ruhetag

Mittwoch, 16. Juli (167,5 km)
Lannemezan / Hautes-Pyrénées [lanməˈzɑ̃] – Foix / Ariège [fwa]

Donnerstag, 17. Juli (168,5 km)
Lavelanet / Ariège [lavlaˈnɛ] – Narbonne / Aude [naʀˈbɔn]

Freitag, 18. Juli (182 km)
Narbonne – Nîmes / Gard [nim]

Samstag, 19. Juli (194,5 km)
Nîmes – Digne-les-Bains / Alpes-de-Haute-Provence [diɲleˈbɛ̃]

Sonntag, 20. Juli (183 km)
Embrun / Hautes-Alpes [ɑ̃ˈbʀœ̃] – Prato Nevoso / Cuneo (I) [ˈpraːto neˈvoːso]

Montag, 21. Juli
Zweiter Ruhetag

Dienstag, 22. Juli (157 km)
Cuneo / Cuneo (I) [ˈkuːneo] – Jausiers / Alpes-de-Haute-Provence [ʒoˈzje]

Mittwoch, 23. Juli (210,5 km)
Embrun – L’Alpe d’Huez / Isère [lalpˈdɥɛz]

Donnerstag, 24. Juli (196,5 km)
Le Bourg-d’Oisans / Isère [ləˈbuʀ dwaˈzɑ̃] – Saint-Étienne / Loire [sɛ̃teˈtjɛn]

Freitag, 25. Juli (165,5 km)
Roanne / Loire [ʀwan] – Montluçon / Allier [mɔ̃lyˈsɔ̃]

Samstag, 26. Juli (53 km; EZF*)
Cérilly / Allier [seʀiˈji] – Saint-Amand-Montrond / Cher [sɛ̃taˈmɑ̃ mɔ̃ˈʀɔ̃]

Sonntag, 27. Juli (143 km)
Étampes [eˈtɑ̃p] – Paris, Champs-Élysées [paˈʀi | ʃɑ̃zeliˈze]
(* Einzelzeitfahren)

Anmerkungen: Von den meisten Sprechern in Frankreich wird [ɑ] nicht (mehr) von [a] unterschieden; dann ist Letzteres dort einzusetzen, wo oben – ohnehin nur in zwei Transkriptionen – Ersteres auftaucht. Die Wörter patte [pat] und pâte [pɑt] sind für diese Sprecher keine Minimalpaare, sondern Homophone – sofern der Zusammenfall der Phoneme nicht, zumindest in kritischen Kontexten, kompensiert wird durch eine Längung des [a], wo es [ɑ] ersetzt. Das Gleiche gilt für [ɛ̃], das die Mehrzahl der Franzosen statt [œ̃] spricht. Neben [ʀ] ist [ʁ] eine weitverbreitete Realisierung des Phonems /r/.



Sonntag, 12. August 2007
Der Ur-Quasimodo, nach dem man bis heute bucklige hässliche Menschen benennt, tauchte in Victor Hugos 1831 erschienenem Roman Notre-Dame de Paris 1482 auf. Den Roman spricht man [nɔtʀ̥ˈdam dəpaˈʀi], seinen Autor [vikˈtɔːʀ yˈɡo]. Der Name des Glöckners lautet im Französischen [kazimɔˈdo]. Im Deutschen verändert sich, neben der Aussprache des Digraphs qu, die Betonung zu [kvaziˈmoːdo]. Für das Englische gilt mit [ˌkwɑːzɪˈməʊdəʊ] dasselbe; während man [ˈkweɪzaɪ] bzw. [ˈkweɪsaɪ] für quasi in der Bedeutung »sozusagen« noch heute hört, ist [ˌkweɪsaɪˈməʊdəʊ] für die Romanfigur unüblich geworden. Noch eine andere Aussprache empfiehlt sich für den Namen des italienischen Lyrikers Salvatore Quasimodo. Man spricht ihn [salvaˈtoːre ku̯aˈziːmodo]. Der Mann war, am Rande bemerkt, weder bucklig noch hässlich. Verwechslungsgefahr besteht auch mit der evangelischen Benennung des ersten Sonntags nach Ostern, den man auch als »Weißen Sonntag« bezeichnet: Der Begriff Quasimodogeniti wird im Deutschen [kvaziˌmodoˈɡeːniti] gesprochen; er geht auf den lateinischen Halbsatz »quasi modo geniti« (dt. »wie die gerade Geborenen«) aus dem Neuen Testament zurück. In Hugos Roman wird der Säugling Quasimodo an diesem Tag von Erzdiakon Frollo auf den Stufen von Notre-Dame in Paris gefunden.



Freitag, 27. Juli 2007
Cahors – Angoulême [Fester Link zum Beitrag]
Auch wenn das sportliche Interesse an der Tour de France aus nahe liegenden Gründen abgeflaut ist, taugt die Veranstaltung für einen Hinweis auf die Aussprache des Start- und Zielorts der morgigen Etappe. Los geht es im Département Lot, das man infamerweise [lɔt] spricht, und nicht etwa mit stummem t. Dafür birgt die Aussprache von Cahors, die da [kaˈɔʀ] wäre, keine Überraschungen für Frankreichkenner. Von selbst ernannten ebensolchen habe ich allerdings schon mehrfach denselben Irrtum bei der Aussprache von Angoulême gehört. Das hübsche Städtchen im Département Charente – sprich: [ʃaˈʀɑ̃t] – fällt phonetisch unter die Regel, dass g im Französischen nur vor e, i und y als [ʒ] ausgesprochen wird. Lautlich korrekt endet die 18. Etappe der Rundfahrt demnach in [ɑ̃ɡuˈlɛm].



Mittwoch, 4. Juli 2007
Camille Saint-Saëns [Fester Link zum Beitrag]
Meist kann man sich auf Diakritika als Hinweis auf die korrekte Aussprache eines Wortes verlassen. Schließlich ist das eine ihrer wichtigsten Funktionen. Manchmal jedoch wird man an der Nase herumgeführt, wenn auch nicht aus bösem Willen. Das Trema in dem Namen des Komponisten und Musikers weist nur scheinbar auf das hin, was man im Französischen erwartet: eine getrennte Aussprache des e von dem vorangehenden Vokal. Tatsächlich spricht man den Namen [kaˈmij sɛ̃ˈsɑ̃s] – der Buchstabe mit der Diärese bleibt stumm. Dieselbe Aussprache gilt für den Namen der Schriftstellerin, die man in der Regel schlicht Madame de Staël nennt; er lautet [maˈdam dəˈstal]. Ein weiterer französischer Organist und Komponist, dessen Name die Intuition auch ohne Trema ins Stocken zu bringen in der Lage ist, heißt Olivier Messiaen. Die korrekte Lautung in diesem Fall ist [ɔliˈvje mɛˈsjɑ̃].



Mittwoch, 27. Juni 2007
Everything But The … [Fester Link zum Beitrag]
Die englische Popband Everything But The Girl existiert seit 1982; ihren Namen bezieht sie von einem Schild in einem Möbelgeschäft in Hull, auf dem gestanden haben soll: “For your bedroom needs, we sell everything but the girl.” Die Aussprache des Bandnamens ist im Englischen demzufolge relativ banal: [ˈɛvɹiθɪŋ bət ðəˈɡɜːl]. Im Französischen kann man damit nett reimen, wie Marc Lavoine in seinem textlich nicht gerade der Hochliteratur zuzurechenden Titel Je me sens si seul (2005) zeigt:

Je me sens si seul
Tu me manques tant
Que j’ecoute le souffle du vent
Tu me manques tant
Je me sens si seul
Que j’ecoute everything
Que j’ecoute everything
Everything But The Girl

Die Reimwörter sind – jeweils in der Lautung ihrer Herkunftssprache – seul [sœl] und girl [ɡɜːl]. In dem französischen Lied verlockt der mögliche Reim dazu, girl [ɡœl] zu sprechen. Tatsächlich erinnert die Qualität des Vokals, den Marc Lavoine produziert, mehr an [œ] als an [ɜ̝] (RP) – und klingt damit nach gueule. Meine Fresse, diese Franzosen!



Montag, 25. Juni 2007
Ganz oben in den französischen Singlecharts steht derzeit das Lied eines Castingstars namens Christophe Willem. Wie man auf der offiziellen Website des Interpreten (Link) nachlesen kann, heißt der von ihm gesungene Titel Double je (dt. Doppeltes Ich). Über Suchmaschinen findet man jedoch zahlreiche Seiten, die den Titel als Double jeu führen. Warum? Die Wörterbuchtranskriptionen, die auf der Phonologie basieren, helfen leider nicht weiter: Je wird demnach [ʒə] ausgesprochen, jeu hingegen [ʒø] – zwei zweifellos unterschiedliche, nicht einmal so ähnliche Laute. Die Antwort auf die Frage, wie das Schwa im Französischen phonetisch realisiert wird, löst allerdings das Rätsel: Die enge Transkription [ə̹] zeigt, dass der Laut mit erheblich gerundeten Lippen gesprochen wird. Da [ø] die gerundete Aussprache von [e] ist, dessen zentralisierte Variante wiederum [ə] darstellt, ist es wenig verwunderlich, dass je und jeu im Französischen, zumal im Gesang, fast homophon sind. Aus diesem Grund wird in Lehrbüchern [ø] statt [ə] als Aussprache von E beim Buchstabieren empfohlen.



Samstag, 23. Juni 2007
Es gibt ein Gedicht aus den Fleurs du Mal von Charles Baudelaire, das den Titel L’Albatros trägt. Der Dichter wird darin mit dem Vogel verglichen: Der eine wie der andere, der sich oberhalb des Irdischen fliegend souverän zu bewegen weiß, ist am Boden durch seine riesigen herabhängenden Schwingen gehbehindert und hässlich. Die erste Strophe des französischen Originaltexts lautet:

Souvent, pour s’amuser, les hommes d’équipage
Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers,
Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
Le navire glissant sur les gouffres amers.
(Vollständiges Gedicht: Link)

Das Wort albatros wird im Französischen [albaˈtʀos] ausgesprochen. Auch wenn man es regelmäßig, selbst von Franzosen, falsch hört: Das s ist nicht stumm. Unüblich, aber akzeptabel ist es, den Vokal offen zu sprechen. Die Zahl der Wörter im Französischen, in denen os am Wortende [os] lautet, ist äußerst begrenzt: Ihre Zahl in der aktuellen Auflage des Petit Robert de la langue française (60.000 Wörter) beträgt rund zwei Dutzend. Höchstens die Hälfte davon ist im Alltag halbwegs gebräuchlich, darunter: albinos (Albino), amnios (Fruchtblase), calvados (Apfelbranntwein), cosmos (Kosmos), mérinos (Schafrasse), rhinocéros (Nashorn), tétanos (Tetanus) und thermos (Thermoskanne). Nur sehr wenigen Franzosen dürfte die korrekte Definition von azygos (Adjektiv für unpaarige Körperteile) oder kouros (griechische Statue eines jungen Mannes) geläufig sein. Die Gemeinsamkeit fast aller Wörter mit dieser phonetischen Besonderheit ist ihre Herkunft aus dem Lateinischen oder Griechischen. Der Auslaut [ɔs] steht bei einigen der Begriffe in der Präferenz vor der Variante mit dem geschlosseneren Vokal.



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