DAS PHONETIK-BLOG [foˈneːtɪkˌblɔk]
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Samstag, 23. Februar 2008
Kontrastiver Fokus [Fester Link zum Beitrag]
In John Wells’ phonetic blog ist unter dem Titel »Des accents enfantins« (19. Februar 2008; leider nicht einzeln verlinkbar) eine Beobachtung über die Intonation eines englischen Satzes zu lesen. Ich komme hier darauf zurück, weil das Beispiel Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen verdeutlicht. Im Englischen kann es heißen:

A: I want to sit on the \window side.
B: But you’re \on the window side!

John Wells sieht darin einen ›counterpresupposition focus‹; ich kenne dafür keinen deutschen Begriff. Gemeint ist Folgendes: Impliziert die Frage oder Behauptung eines Sprechers, dass sie auf falschen Informationen basiert, geht man von ›counterpresupposition focus‹ aus, wenn ein anderer Sprecher diese Informationen richtigzustellen versucht. Beim sogenannten ›corrective focus‹ hingegen wird einer expliziten Aussage widersprochen – und nicht nur einer vermuteten falschen Grundlage der Äußerung. Korrektiver Fokus funktioniert meines Wissens im Deutschen und Englischen weitgehend analog zueinander (auch wenn’s politisch wird):

C: The capital of Kosovo is \Belgrade.
D: \No, the capital of Kosovo is Priš\tina.

Einschub: Die englische Aussprache von Priština – [prɪˈstiːnə] oder, besser, [prɪˈʃtiːnə] – lehnt sich an die Betonung der albanischen Schreibweise ›Prishtinë‹ [pɾiʃˈtinə] an. Im Deutschen hingegen sagt man [ˈpʁɪʃtiːna] – ähnlich der serbischen Lautung [ˈpriːʃtina].

E: Die Hauptstadt des Kosovo ist \Belgrad.
F: \Nein, die Hauptstadt des Kosovo ist \Priština.

Zurück zum Fensterplatz: Wells schreibt, dass er selbst das Verb als Vollform gesprochen und mit einer fallenden Betonung versehen hätte. Ungewöhnlich oder selten scheint die Prosodie von B zu sein, nicht jedoch falsch. Es ist also im Englischen möglich, bei counterpresupposition focus nicht die fokussierte Konstituente – hier das Verb ›are‹ – intonatorisch prominent zu machen, sondern eine Präposition im Hintergrund. Im Deutschen ließe sich dabei die Bedeutung nicht erhalten; dafür muss die Intonation die folgende sein:

G: Ich möchte auf der \Fensterseite sitzen.
H: Aber du \sitzt doch auf der Fensterseite!

Läge die Betonung auf der Präposition ›auf‹, würde im Deutschen ein Bedeutungskontrast im Zusammenhang mit diesem Satzteil verstanden. Man vergleiche:

I: Welche anderen Frauen waren in deiner Wohnung?
J1: Laura \war nicht in meiner Wohnung.
J2: Laura war nicht \in meiner Wohnung.
J3: Laura war nicht in meiner \Wohnung.

Eine gewisse Laura, von der I vermutet, dass sie in Js Wohnung war, wurde vorerwähnt. Nun möchte I wissen, ob weitere Frauen dort waren; J1 beantwortet die Frage nicht, sondern korrigiert die falsche Annahme. Eine Betonung auf jedem anderen Element als ›war‹ würde J als Nicht-Muttersprachler des Deutschen ausweisen oder die Aussage verändern. Die Bedeutung von J2 lässt sich paraphrasieren als ›Sie war nicht in meiner Wohnung, aber davor‹, die von J3 als ›Sie war nicht in meiner Wohnung, aber in meinem Auto‹. Die Abgrenzung zwischen den Bedeutungen J1 und J2, die im Englischen beide durch das Intonationsmuster von J2 ausgedrückt werden können, muss pragmatisch erfolgen. Ich könnte mir vorstellen, dass es Witze gibt, die damit spielen. Does anyone know any?

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