Mittwoch, 13. Juni 2007
Die Maskottchen der Olympischen Spiele 2008, 福娃 (Fú Wá) [˧˥ fu ˧˥ wɑ] in Peking heißen:

– 贝贝 (Bèi Bèi) [˥˩ pei ˥˩ pei]
– 晶晶 (Jīng Jīng) [˥˥ tɕiŋ ˥˥ tɕiŋ]
– 欢欢 (Huān Huān) [˥˥ xu̯an ˥˥ xu̯an]
– 迎迎 (Yíng Yíng) [˧˥ jiŋ ˧˥ jiŋ]
– 妮妮 (Nī Nī) [˥˥ ni ˥˥ ni]

Fügt man die einzelnen Zeichen aneinander, klingt das ähnlich wie der Satz 北京欢迎你 (Běi Jīng Huān Yíng Nǐ) [˨˩ pei ˥˥ tɕiŋ ˥˥ xu̯an ˧˥ jiŋ ˨˩˦ ni]. Zu Deutsch: »Peking heißt dich willkommen.«



Rabindranath Tagore [Fester Link zum Beitrag]
Der Schriftsteller wurde vor allem durch seinen Gedichtband Gitanjali (Bengalisch: গীতাঞ্জলি) bekannt. Wie man schon an den wenigen Buchstaben erkennt, die den Namens des Werks angeben, ist die bengalische Schrift eine graphisch sehr reizvolle. Interessant an ihr ist darüber hinaus, dass Konsonanten einen inhärenten Vokal besitzen. Durch einen anderen Vokal ersetzt werden kann er mittels Diakritika. Will man den inhärenten Vokal löschen, muss man ein hôshonto, das aussieht wie ein Gravisakzent, rechts unten platzieren. Phonetisch zeichnet sich die bengalische Sprache durch eine Differenzierung aspirierter und nicht-aspirierter Affrikaten und Plosive, die zum Teil retroflex gesprochen werden müssen, aus. Tagores Name (Bengalisch: রবীন্দ্রনাথ ঠাকুর) wird korrekt wie folgt ausgesprochen: [robin̪d̪ɾonat̪ʰ ʈʰakuɾ]. Der alveolare Trill am Wortanfang könnte auch, wie bei den anderen Vorkommen des R-Phonems im Inneren und am Ende des Namens, ein Flap sein. Interessant ist das Verhalten des N-Phonems, das – wie /l/ – grundsätzlich alveolar ist, sich aber dem Artikulationsort des folgenden Lauts anpasst, von palatal über retroflex bis dental. Ich gebe keine Betonung für Tagores Namen an, da ich in The Phonemes of Bengali (1960) von Charles A. Ferguson und Munier Chowdhury gelesen habe: “Stress in Bengali has no lexical role in the sense that its presence or position is a feature of lexical items such as morphemes or words.” Was mir bei dieser Studie, wie bei so vielen, unangenehm auffällt, sind die teilweise willkürlichen Schreibungskonventionen für Phone und Phoneme, die anstelle der zur Zeit der Veröffentlichung gültigen Zeichen des International Phonetic Alphabet (IPA) eingesetzt werden. Beim Leser sorgt diese Eigenbrötelei in der Regel für nichts als Verwirrung.



Jens Stoltenberg [Fester Link zum Beitrag]
Das Norwegische verwirrt mitunter dadurch, dass Vokalbuchstaben unerwartete Lautwerte zugewiesen bekommen und geschriebene Konsonanten nicht gesprochen werden: Beispielsweise ist für o in gewissen Kontexten die Aussprache [u] korrekt. Die Buchstaben d und g sind dafür anfällig, vor allem in der Silbencoda, stumm zu werden. Darüber hinaus plagen die Retroflexe, derer es einige gibt im Norwegischen, die meisten Norwegischlernenden. Tritt keiner dieser drei Fälle auf, kann Deutschen die Aussprache inklusive Betonung spontan gelingen. Kommen alle drei zusammen, wird es knifflig: Der Name des früheren norwegische Ministerpräsidenten Kjell Magne Bondevik vereinigt zwei der phonetischen Klippen auf sich. Die korrekte Aussprache lautet: [çɛl ˈmɑŋnə ˈbʊnəˌvɪk]. Wesentlich leichter haben es deutsche Nachrichtensprecher mit seinem Nachfolger Jens Stoltenberg – keine Retroflexe im Namen, keine stummen Konsonanten. Im Auslaut des Nachnamens unterscheidet sich die norwegische Aussprache jedoch nennenswert von einer intuitiven deutschen: [jɛns ˈstɔltn̩ˌbæɾj].



Vor manchen phonetischen Kuriositäten steht man auch als linguistisch interessierter Muttersprachler ratlos. Das deutsche Wort für ein Papiertuch, das bei und nach dem Essen zum Abwischen des Mundes gedacht ist, lautet »Serviette«. Der Begriff wurde direkt aus dem Französischen übernommen, wo er [sɛʀˈvjɛt] ausgesprochen wird und auch für »Handtuch« oder »Aktentasche« stehen kann. Die einzige mögliche Aussprache dieses Wortes im Deutschen ist laut DUDEN [zɛʁˈvi̯ɛtə]. Es handelt sich im Grunde um einen transparenten Fall der Laut-Buchstaben-Zuordnung. Man müsste meinen: Anders geht es nicht. Allerdings existiert folgende weitverbreitete Lautung: [zɛʁˈviːɐ̯tə] – ein Homophon des Verbs »servieren« in der 1./3. Person Singular im Indikativ bzw. Konjunktiv des Präteritums. Woher kommt das vokalisierte R? Man möchte glauben, auf einen isolierten Fall morpheminternen intrusive r im Deutschen gestoßen zu sein. Mehrere hundert Google-Treffer für die zu dieser Aussprache passendere Schreibweise zeigen: Die »Servierte« ist auf dem Vormarsch – vielleicht.



Der belgische Politiker, dessen Partei die gestrigen Parlamentswahlen gewonnen hat und der daher voraussichtlich neuer Ministerpräsident seines Landes wird, ist bilingual: Er spricht muttersprachlich Französisch und Niederländisch. In einem Land mit drei Amtssprachen – den Genannten und Deutsch – bedeutet dies, dass man den Namen des künftigen Regierungschefs auf unterschiedliche Weise richtig aussprechen kann. Welche die »ursprüngliche« Variante ist, lässt sich kaum bestimmen (und ist im Grunde unwichtig). Dafür, dass es die französische ist, spräche, dass der volle Name des Politikers Yves Camille Désiré Leterme lautet. Auch wenn er seit seiner Hochzeit nicht mehr so angesprochen worden sein mag, gebe ich die vollständige Aussprache an. Sie lautet: [iːv kaˈmij desiˈʀe ləˈtɛʀm]. Dafür, dass die niederländische Aussprache die »Hauptlautung« ist, könnte man in die Waagschale werfen, dass Leterme in Flandern, dem niederländischsprachigen Teil Belgiens geboren wurde und wirkt. Bei der Übertragung des Namens ins Niederländische spielen vor allem zwei Effekte eine Rolle: Erstens greift in dieser Sprache, wie im Deutschen, die Auslautverhärtung. Zweitens wird das auslautende e des Nachnamens nicht wie im Französischen stumm. Zusammen ergibt das: [iːf ləˈtɛɾmə]. Die deutsche Variante lasse ich unter den Tisch fallen, da sie bei einem Prozent deutschsprachiger Belgier ohne Herablassung als marginal betrachtet werden kann.



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