Donnerstag, 8. Oktober 2009
Literaturnobelpreis 2009 [Fester Link zum Beitrag]
Der Einstieg in diesen Artikel ist keine phonetische Beobachtung, sondern eine am Rande der literarischen Öffentlichkeit gemachte: Dieses Jahr wollte ich wieder einen Artikel anbieten zu den inoffiziellen Kandidaten für den Literaturnobelpreis, von denen geraunt wird. Natürlich sind diese Listen nichts als Kaffeesatzleserei, aber eine der amüsant-harmlosen Art, verschafft sie doch eine überblicksartige Momentaufnahme, wer in den Feuilletonredaktionen, den Universitäten, den Verlagen geschätzt wird – und vielleicht in seiner Wirkung auf die schwedische Akademie auch falsch eingeschätzt. Als kurios fiel mir nun ins Auge, dass auf den Listen, die dieses Jahr kursieren, wieder praktisch dieselben Namen stehen wie schon im Oktober 2007 und 2008, Namen, die jeder, der sich für Literatur interessiert, kennen und aussprechen können sollte: Thomas Pynchon, Amos Oz, Běi Dǎo, Haruki Murakami, Claudio Magris usw. Es ist wie die Dirndlmode fürs Oktoberfest, die sich – abgesehen von ein paar Verzierungen in der Modefarbe des jeweiligen Jahres – stets wiederholt. Das ist keine neue Tendenz und auch keine, die bisher nur mir aufgefallen wäre: Dass Autoren wie der 2008 ungenobelt verstorbene Hugo Claus oder der noch lebende, auch dieses Jahr allerorten genannte António Lobo Antunes sich über die Rolle des ewigen Nobelpreis-Favoriten beklagt haben sollen, ist wohl zwischen Koketterie und echter Irritation anzusiedeln.

Wer also sind die Farbtupfer dieses Jahres? Da wäre zum Beispiel eine nicht mehr ganz taufrische Newcomerin, die 56-jährige Herta Müller [ˈhɛʁta ˈmʏlɐ] aus Berlin – eine seit ihrem Debüt ›Niederungen‹ (1984) und derzeit wieder für ihren Roman ›Atemschaukel‹ im Feuilleton gepriesene, aber meines Wissens nicht viel gelesene Autorin. In Deutschland noch weniger wahrgenommen werden die aus Algerien stammende, auf Französisch schreibende Assia Djebar [aˈsja d͜ʒeˈbaʀ], die als wichtige Stimme des Maghreb gilt, und der syrische Lyriker Adunis (أدونيس) [ædʊˈniːs], was mit der Gattung seiner Texte zu tun haben könnte, die viele für generell schwerer übersetzbar halten als epische oder dramatische Werke. Als Außenseiter muss man den inzwischen betagten Spanier Luis Goytisolo [lwis ɡoi̯tiˈsolo] bezeichnen, ebenso wie den Österreicher Peter Handke [ˈpeːtɐ ˈhantkə], den Tschechen Arnošt Lustig [ˈarno̞ʃt ˈlustɪk] sowie den US-amerikanischen Romancier Edgar Lawrence Doctorow [ˈɛdɡɚ ˈlɑːɹəns ˈdɑːktəɹoʊ̯]. Und wer wird es nun? In knapp elf Stunden wissen wir es – auch, ob die Aussprache des Preisträger-Namens hier schon zu lesen war.

Nachtrag: Sie war es – herzlichen Glückwunsch, Frau Müller!



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