Sonntag, 4. Mai 2008
Korrekt archaisieren [Fester Link zum Beitrag]
Laura Marling, eine junge englische Songwriterin, hat vor einigen Wochen ein Album mit dem Titel Alas, I Cannot Swim veröffentlicht. Die Platte wurde im deutschen Radio besprochen, und schon klang ›alas‹ ähnlich wie der Frauenname ›Alice‹. In Wörterbüchern wird ›alas‹, was so viel wie ›leider‹ bedeutet, als altertümelnder oder literarisierender Begriff geführt. Es gibt eine Reihe weiterer englischer Wörter, die gerade wegen ihres heute archaischen Beiklangs noch gerne in Texte eingeflochten werden. Das ist als Stilmittel natürlich erlaubt – und noch eleganter, wenn man beim Vortrag die korrekte Aussprache parat hat. Da wären etwa die mit ›alas‹ [əˈlæs] gleichbedeutenden ›alack‹ [əˈlæk] und ›lackaday‹ [ˈlækədeɪ]. Für die Interjektion ›Zounds!‹ [zaʊndz] gibt es die schöne deutsche Übersetzung ›Sapperlot!‹, das heute höchstens von Sprechern fortgeschritteneren Alters, vulgo: Oma und Opa, zu hören ist. Das Original ist bei Shakespeare, je nach Stück, im halben Dutzend zu bekommen. Auch von den Temporal- und Lokaladverbien haben sich einige Vertreter ins Englische des 21. Jahrhunderts gerettet: Die altmodische Variante von ›between‹ lautet ›betwixt‹ [bɪˈtwɪkst], für ›kurz darauf‹ hieß es – im Rime of the Ancient Mariner (Ende 18. Jh.) beispielsweise – ›eftsoons‹ [ɛftˈsuːnz], ›thenceforth‹ [ˌðɛntsˈfɔːθ] wurde von Begriffen wie ›thereafter‹ verdrängt, statt ›ofttimes‹ [ˈɒfttaɪmz] sagt man heute wohl eher ›frequently‹. Noch ein paar nette Vokabeln: Mit ›certes‹ [ˈsɜːtɪz] lässt sich trefflich latinisieren, ›maugre‹ [ˈmɔːɡə] deutet Französischkenntnisse an, bei ›forsooth‹ [fəˈsuːθ] fühlt man sich gleich zu Pepys & Co. zurückversetzt. Als phonetische Stolperfalle von diesen Wörtern wohl am besten geeignet sind folgende zwei: Mit ›yclept‹ [ɪˈklɛpt], was so viel bedeutet wie ›genannt‹, spielt James Joyce im ›Oxen of the Sun‹-Kapitel seines ›Ulysses‹, das die sprachliche Entwicklung des Englischen bis ins Dublin des frühen 20. Jahrhunderts nachvollzieht. Bei ›albeit‹ habe ich auch von englischen Muttersprachlern Lautungen gehört, die auf die falsche Segmentierung ›al-beit‹ hindeuten. Richtig ist ›al-be-it‹, wörtlich ›auch wenn es so sei‹, was man dreisilbig [ɔːlˈbiːɪt] spricht, und nicht zweisilbig mit einem Diphthong. Für gebildete Englischsprecher theoretisch alles kein Problem, aber wenn man die heiteren Kasuswirren liest, die mit ›thou‹ [ðaʊ] (›du‹), ›thee‹ [ðiː] (›dich/dir‹) und ›thy‹ [ðaɪ] (›dein‹) produziert werden, möchte man nach der Aussprache gar nicht fragen. Man möchte vielmehr ergänzen: Die alten Präsensformen der Verben ›have‹, ›say‹ und ›do‹ in der 2. und 3. Person Singular lauten in ihren Vollformen ›(thou) hast‹ [hæst], aber ›(he) hath‹ [hæθ], ›(thou) sayest‹ [ˈseɪɪst], aber ›(he) saith‹ [sɛθ], ›(thou) doest‹ [ˈduːɪst], aber ›(he) doeth‹ [ˈduːɪθ]. Ist ›do‹ ein Hilfsverb, schreibt und sagt man ›(thou) dost‹ [dʌst] und ›(he) doth‹ [dʌθ]. *›I hast‹ und *›thou doeth‹? Nay, I prithee! [neɪ | aɪ ˈpɹɪði]



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